Das mit Blick auf gesundheitliche Aspekte zunehmend schlechte öffentliche Image von Weizen und der Trend zum Weizenverzicht sind mit wissenschaftlichen Fakten nicht belegbar.
Das hat Dr. Katharina Scherf vom Leibniz-Institut für Lebensmittelchemie der Technischen Universität München klargestellt. Auf der Herbsttagung der Stadt-Land-Partnerschaft im Evangelischen Bauernwerk in Württemberg wies Scherf am Dienstag vergangener Woche (in Hohebuch darauf hin, dass die heutige Diskussion durch mangelnde theoretische Erkenntnisse, falsche Behauptungen und Fehlinterpretationen gekennzeichnet sei. Zugleich entkräftete die Chemikerin die Annahme, Weizen enthalte süchtig machende Opioide. Auch Reis, Fleisch und Milch enthielten diese Inhaltsstoffe, ohne dass dies öffentlichkeitswirksam problematisiert würde. Vielmehr führe der Verzehr von Weizen zur Ausschüttung von Sättigungshormonen. Auch sei entgegen oft anzutreffender Behauptungen kein gentechnisch veränderter Weizen auf dem Markt, und weder existierten neuartige Proteine noch höhere Gehalte an Proteinen im „modernen Weizen“, stellte Scherf klar.
Darüber hinaus habe weder die Zunahme von Zöliakie wissenschaftlich bestätigt werden können noch die Annahme, dass ein Verzicht auf das Getreide zu mehr Lebensqualität und Energie führe. Dies lasse sich vielmehr über eine kalorienreduzierte Ernährung erreichen. Scherf zeigte sich aus wissenschaftlicher Sicht besorgt über das hohe Gewicht, das Scheinargumente mittlerweile in der Öffentlichkeit erhielten. Es bestätige Gefahr eines „post-faktischen Zeitalters“, dem sich die Gesellschaft nähere. Ein Rückgriff auf Spezialprodukte ist aus Sicht der Chemikerin nur dann notwendig, wenn eine eindeutig ärztlich diagnostizierte Unverträglichkeit einen Verzicht auf glutenhaltiges Getreide rechtfertigt. Wenn aber gesunde Menschen glutenfreie Produkte kauften, fielen sie damit lediglich auf einen „pfiffigen Marketing-Gag der Lebensmittelwirtschaft“ herein, die mit Wellness, Fitness und Gesundheit dem Verbraucher „Geld aus der Tasche“ ziehe.