
Die sortierte Wolle wird zu Ballen gepresst.
Jasmin Baumann
Grosse, lange Wollhaufen liegen in der Bündner Arena in Cazis im Kanton Graubünden. Zwei Linien weisse Wolle und eine Linie braune und gemischte Wolle. Mit den unterschiedlichsten Fahrzeugen stehen Bauern und Bäuerinnen aus der Region in der Schlange, um ihre Wolle an die Wollannahme von Swisswool zu bringen.
Erlös deckt Scheraufwand nicht
Auch Petra Lanicca aus Sarn ist mit Auto und Anhänger nach Cazis gekommen. Sie bringt die Wolle ihrer 30 Schafe an die Wollannahme. «Ich bringe die Wolle gerne – es wäre zu schade, sie wegzuwerfen», sagt die Landwirtin. Von der Herbstschur ihrer 30 Schafe hat es anderthalb Bigbags Wolle gegeben. Für das Scheren engagiert Petra Lanicca jeweils einen Schafscherer. Innert zwei Stunden hat er die 30 Schafe geschoren. Sieben Franken pro Schaf kostet das.

Schafe sind ideal für das Fressen des Grases in den Alpen.
Bio Suisse
Zuerst muss die Wolle auf die Waage. Im Waaghäuschen schreiben zwei Frauen emsig das Gewicht auf. 85 Kilogramm weisse Wolle und 50 Kilogramm gemischte Wolle hat Petra Lanicca gebracht. Sie erhält dafür insgesamt 88 Franken – 80 Rappen pro Kilogramm weisse Wolle und 40 Rappen für die gemischte Wolle. Damit ist also nicht einmal der Scheraufwand bezahlt.
Wolle wird luftdicht umwickelt
Nach dem Wägen bringt ein Teleskoplader den Bigbag zum entsprechenden Haufen. Braun und gemischt oder weiss. Zwei Mitarbeiter der Sammelstelle leeren den Sack von Hand aus. Ein weiterer Mitarbeiter bringt die Wolle mit einer Heugabel in die Schlangenform. Mehrere Leute sammeln direkt Wollstücke mit Markierfarbe heraus. Die Farbe vom Markieren der Schafe geht beim Waschen fast nicht heraus.
Wenn die Wollschlange ihre maximale Länge erreicht hat, fährt ein Traktor mit einer Rundballenpresse in die Halle und presst die Wolle zu Rundballen. Diese werden wie Siloballen mit Silofolie luftdicht gewickelt. Eine Balle wiegt etwa 330 Kilogramm. «Da Wolle ein tierisches Nebenprodukt ist, fällt sie in dieselbe Kategorie wie Schlachtabfälle», erklärt Friedrich Baur. Für diese Nebenprodukte gelten strenge Richtlinien, auch im Transport.
Zum Waschen nach Belgien
Heute haben 41 Bäuerinnen und Bauern ihre Wolle an die Sammelstelle von Swisswool gebracht. Der Ertrag sind 18 Ballen, also etwa 5’400 Kilogramm Wolle. Swisswool sammelt normalerweise an sieben Annahmestellen jeweils im Frühjahr und Herbst Wolle von Schweizer Schafen ein.
Nach dem Wollankauf muss die Wolle gewaschen werden. Da es keine grosse Wollwäscherei mehr gibt in der Schweiz, bringt Swisswool die Wolle in eine Wäscherei in Belgien. «Alle Schweizer Wolle wasche ich in Belgien innert zwei Wochen», sagt Friedrich Baur.
Wollmanufaktur in Bayern
In der Wollwäscherei ist die grösste Herausforderung, den Fettanteil runterzubringen. Sonst riecht die Wolle zu stark. Daran sind viele gescheitert, weiss Friedrich Baur. Aus dem Wollfett, genauer gesagt, dem Lanolin, werden unter anderem Kosmetikprodukte hergestellt. Nach dem Waschen bleiben von der Schweisswolle – Wolle mit Fett – nur 60 bis 70 Prozent saubere Wolle übrig. Das Waschen kostet 3 Franken pro Kilogramm.
Die Schafwolle, die Swisswool in der Schweiz sammelt, kommt frisch gewaschen in die bayerische Wollmanufaktur Baur Vliesstoffe, welche die Wolle zu Vlies verarbeitet. Seit vielen Jahren beliefert das Unternehmen ausschliesslich Schweizer Matratzenhersteller mit Wollvliesen. Vor der Gründung von Swisswool stammte die Wolle dafür aus Südamerika und Neuseeland.
Schafe lösen Akustikprobleme
Schafwolle kann nicht nur die Temperatur dämmen, sondern auch den Schall. In seiner neusten Kreation produziert Swisswool Akustikpaneele mit dem Namen «Woopies». Dabei wird die Wolle zu unterschiedlich dichten und dicken Vliesen und Filzen verarbeitet, die dann in mehreren Lagen zu Paneelen gepresst werden.
«Woopies sind die Krone der Schöpfung unserer Wollprodukte», sagt Friedrich Baur. Bei anderen Produkten ist die Wolle meist unter einer Membrane versteckt. Nicht so bei den Woopies. «Ich wollte ein Produkt, an dem man die Wolle sieht – die Wolle muss endlich begreifbar, fühlbar und sichtbar werden.»
900 Tonnen Schafwolle fallen jährlich an
In der Schweiz leben 360’000 Schafe. Diese produzieren ständig nachwachsende Wolle. Sie werden daher zwei Mal im Jahr geschoren. Pro Jahr ergibt es 3 bis 6 Kilogramm Wolle pro Schaf. So fallen insgesamt 900 Tonnen Rohwolle an. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) unterstützt Organisationen die Wolle sammeln und verarbeiten sowie innovative Schafwollprojekte, die einen Produktionskreislauf ausschliesslich in der Schweiz haben.

Friedrich Baur rief das Label Swisswool ins Leben
Jasmin Baumann
Insgesamt kann das BLW 600’000 Franken pro Jahr für die Verwertung von inländischer Schafwolle ausrichten. Der Beitrag beträgt maximal 2 Franken pro Kilogramm sortierte, gewaschene und zur Verarbeitung zu Fertigprodukten abgegebene Wolle. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 561’000 Franken Verwertungsbeiträge für Schweizer Schafwolle ausgerichtet. Bei einem Beitrag von 2 Franken pro Kilogramm entspricht dies rund 280’000 Kilogramm sortierter, gewaschener und verarbeiteter Schafwolle.
Grösster Teil wird in der Schweiz verarbeitet
«Von den 900 Tonnen Rohwolle werden mit Sicherheit mindestens drei Viertel verwertet und höchstens 20 Prozent entsorgt», sagt Sara Derighetti vom BLW. Rund ein Drittel der anfallenden Rohwolle werde also nicht mit Beiträgen verwertet. Dabei handle es sich um Wolle, welche die Bedingungen nicht erfüllt, weil sie im Ausland endverarbeitet werde. «Der grösste Teil dieser Wolle geht direkt an Verarbeiter im Ausland und kommt teilweise in verarbeiteter Form wieder in die Schweiz zurück – gewisse Mengen gehen auch in den internationalen Wollhandel.» Eine Statistik zur Wollverarbeitung in der Schweiz gibt es nicht.

Swisswoll stellt aus der gewaschenen Wolle mehrere Produkte her. Unter anderem Designer-Teppiche und Vlies für Ortovox-Jacken.
Jasmin Baumann
«Swisswool finanziert den gesamten Betrieb eigenständig – von der Sammlung bis zur Verarbeitung und Vermarktung», sagt Friedrich Baur. Hierfür gebe es keine pauschalen Gelder. «Projektbezogene Fördermittel wurden ausschliesslich für die Entwicklung der neuen Teppichkollektion bewilligt, da diese vollumfänglich in der Schweiz gefertigt wird.»



