Wie Volg die «böse Butter» verteidigt

Anken und Käse schneiden bei der Lebensmittelkennzeichnung Nutri-Score besonders schlecht ab. Trotzdem verwendet die Fenaco-Tochter Volg ihn auf ihren Eigenmarken, während andere grosse Unternehmen wie Nestlé, Migros und Emmi damit aufhören. Für Volg geht es bei einem Produkt um mehr als nur um einen Buchstaben. 

Julia Spahr, Reto Blunier |

Dunkelrot leuchtet der Rahmen rund um den Buchstaben E von der Butterverpackung. Beachtet man die Kriterien, die dafür verantwortlich sind, dass ein Produkt den schlechtesten NutriScore-Wert (siehe Kasten unten) bekommt, ist daran nichts falsch.

Butter weist mit circa 82 Prozent einen sehr hohen Fettgehalt auf. Davon sind 50 bis 60 Prozent gesättigte Fettsäuren. Dazu kommt die hohe Energiedichte von rund 750 Kalorien pro 100 Gramm. Und Butter enthält keine nennenswerten Ballaststoffe und nur wenig Proteine.

Kritik vom vom Schweizer Bauernverband

Auch Vollfettkäse schneidet beim Nutri-Score ähnlich schlecht ab wie Butter. Der hohe Salzgehalt bestimmter Käsesorten macht die Kategorisierung nicht besser. Andere Milchprodukte wie etwa Magerquark werden mit einem grünen A gekennzeichnet, unter anderem, weil sie einen geringen Fett-, Zucker- und Salzgehalt aufweisen. Trotzdem gibt es Kritik an der Kategorisierung. Etwa vom Schweizer Bauernverband (SBV).

Seit der Nutriscore-Einführung 2019 hiess es von dieser Stelle, der aktuelle Algorithmus berücksichtige den Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln nicht. Hochverarbeitete Produkte mit künstlichen Zusatzstoffen könnten dadurch besser abschneiden als naturbelassene.

Bemängelt wird in bäuerlichen Kreisen etwa, dass das pflanzliche Produkt Margarine besser abschneidet als Butter. So haben zum Beispiel die beiden Margarinen der Volg-Eigenmarke – die eine mit Schweizer Rapsöl, die andere aus ausländischen Fetten – mit C den deutlich besseren Wert als Butter.

Migros steigt aus

Die Marke Nutri-Score gehört der französischen Gesundheitsagentur Santé Publique France. Die Platzierung in der Schweiz ist vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) genehmigt. Sie ist jedoch freiwillig. Unternehmen entscheiden selbst, ob sie ihn auf ihre Produkten drucken wollen. Coop hat sich beispielsweise von Anfang an dagegen entschieden. 2021 führten sie ihn auf ihren Eigenmarken nicht grossflächig ein. Man sei der Ansicht, dass die Nährwerttabelle auf der Packungsrückseite optimale Transparenz biete, hiess es damals.

Der Post unten wurde am 14. April 2021 veröffentlicht. 

Die Migros hingegen benutzt ihn seit 2021 und gab damals bekannt, den Nutri-Score bis 2025 auf allen Verpackungen ihrer Lebensmittel-Eigenmarken aufzudrucken. Heute tönt das anders. Diesen Mai hat das Unternehmen angekündigt, den NutriScore schrittweise von seinen Produkten zu entfernen. «Die Erfahrungen seit der Einführung vor drei Jahren haben gezeigt, dass der Nutzen im Verhältnis zu den hohen Kosten zu gering ist», sagte die Migros gegenüber SRF.

Mitte Mai gab auch Emmi den Ausstieg aus dem Nutri-Score bekannt, wie Medien der TX Group berichten. Man habe sich entschieden, bei Neuheiten auf den Nutri-Score zu verzichten, so der grösste Schweizer Milchverarbeiter. Begründet wird der Ausstieg etwa mit der mangelnden Akzeptanz.

Auch Nestlé geht

Nun steigt auch Nestlé aus. Dass all die grossen Unternehmen gehen, hat wohl nicht zuletzt politische Gründe, denn auch von dieser Seite bläst dem Nutri-Score kalter Wind entgegen. 2023 wurde eine Motion eingereicht, die verlangt, dass der Einsatz des Nutri-Scores im Lebensmittelgesetz näher definiert werde. National- und Ständerat stimmten dem Vorstoss zu. Zurzeit liegt er beim Bundesrat.

Die Fenaco bleibt

Andere Unternehmen halten trotzdem am Nutri-Score fest. Zum Beispiel die Fenaco. In ihren Volg-Läden wird er auf sämtlichen verarbeiteten Lebensmitteln der Eigenmarken angebracht. Und damit auch das orange D auf Raclette- und Fonduekäse oder ein dunkles E auf Butter. Sollte nicht gerade die Fenaco auf eine Kategorisierung verzichten, die Produkte ihrer landwirtschaftlichen Lieferanten schlecht dastehen lässt?

-> Volg markiert Butter mit Rot

«Der Nutri-Score bewertet Produkte rein nach objektiven Nährwertkriterien», schreibt Tamara Scheibli, Kommunikationschefin bei Volg, auf Anfrage. «Dass traditionelle Produkte wie Butter oder Fondue dabei schlechter abschneiden, ist kein Urteil über deren Qualität, ihren Stellenwert in der Ernährung oder ihre Herkunft. Vielmehr handelt es sich um ein freiwilliges Informationsinstrument für Konsumentinnen, das lediglich eine Orientierung innerhalb einzelner Produktkategorien bietet.» Volg stünde unabhängig vom Nutri-Score unverändert und mit Überzeugung hinter der Schweizer Landwirtschaft und der Vielfalt ihrer Produkte, schreibt sie weiter.

Der Nutri-Score

Der Nutri-Score wurde 2019 zum ersten Mal in der Schweiz angewandt. Damals begannen die Migros und Nestlé ausgewählte Produkte zu kennzeichnen. Er ist eine freiwillige Lebensmittelkennzeichnung durch die Produzenten, die vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) bewilligt ist. Der Nutri-Score wird mit einer wissenschaftlich validierten Formel ermittelt. Die Basis bilden 100 Gramm bzw. 100 Milliliter des Produkts.

Empfohlene Nährstoffe sind grün gewichtet, mässig zu verzehrende rot. Diese werden der Skala zugeordnet: von A für ausgewogene bis E für einseitige, unausgewogene Zusammensetzung. Vorteilhaft ins Gewicht fallen Ballaststoffe, Eiweiss, Gemüse, Früchte, Nüsse, Hülsenfrüchte und gewisse Öle. Unvorteilhaft und als Hinweis für Unausgewogenheit fallen hingegen der Kaloriengehalt, Zucker, Salz und gesättigte Fettsäuren ins Gewicht.

Mit dem Nutri-Score lassen sich nur Lebensmittel derselben Kategorie vergleichen. Zum Beispiel ein Müsli mit einem Müsli oder eine Lasagne mit einer Lasagne. Für Vergleiche unterschiedlicher Produkte ebenso wie für eine differenzierte Aufschlüsselung der Inhaltsstoffe eignet sich die klassische Nährwerttabelle besser. jul

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