
Kaspar Hitz, Geschäftsführer der Anna-Zemp-Stiftung, im Naturgarten.
Elisabeth Böhm
In Männedorf, hoch über dem Zürichsee mit Sicht auf die Glarner Alpen, erstreckt sich der Naturgarten der Anna-Zemp-Stiftung. Ein 6’300 Quadratmeter grosses Gelände, die Hälfte davon Wald, die andere Hälfte ist mit Naturwiese, Stauden und Sträuchern und einem kleinen Nutzgarten bepflanzt. Dieser wird demnächst von einem Bioterra-Fachbetrieb betreut.
Die Gründerin der Stiftung, Anna Zemp, lebte von 1944 bis kurz vor ihrem Tod im Jahr 1985 im «Huus alle Winde» auf dem Gelände, welches ihr auch gehörte, und gilt als Pionierin in Sachen Umweltschutz, in einer Zeit, in der weder Umweltschutz noch Biodiversität in aller Leute Munde war. Ihre Vision war es, die Menschen über die Begeisterung und Liebe zur Natur für ein verantwortungsvolles Handeln zu gewinnen, wie es auf der Internetseite der Stiftung heisst. Anna Zemp hat diese 1978 ins Leben gerufen und ihr Vermögen dahin überführt.
Klassenzimmer im Garten
Heute ist die Stiftung ein regional verankertes Naturbildungszentrum mit einem eigenen arten- und biotopreichen Naturgarten. Sie arbeitet eng mit dem Naturnetz Pfannenstil zusammen, einem Netzwerk, dem viele Bauern angehören. «Wir sehen uns als Vermittler zwischen Mensch und Natur», sagt Kaspar Hitz, seit 2017 Geschäftsführer der Stiftung und selbst Ornithologe. Mit Kursen und Führungen möchte die Stiftung die Menschen befähigen, im eigenen Garten die Biodiversität zu fördern, indem sie den Wert der Vielfalt von Flora und Fauna aufzeigt.

In den Gewächshäusern werden klimarelevante Experimente durchgeführt.
Elisabeth Böhm
«Die Führungen werden von Feuerwehr über Senioren bis hin zu Bankangestellten besucht», sagt Hitz weiter und meint: «Ganz wichtig sind aber auch Schulklassen, denen sie massgeschneiderte Kurse anbieten, je nachdem, was die Klasse sich wünscht. Wir bieten ein grosses Klassenzimmer im Garten an und stellen das Programm ad hoc zusammen.»
Aber auch Sensemähkurse, an denen auch Mitarbeiter des Werkhofes Männedorf teilnehmen, werden angeboten. Zudem engagiert sich die Stiftung am Festival der Natur, welches im Mai zum zehnten Mal stattgefunden hat, aber auch am nationalen Wochenende der offenen Gärten von Bioterra am 14. und 15. Juni.
Drei Hochschulen dabei
Das Herzstück aber bildet der Klimagarten 2085, ein öffentliches Kunst- und Wissenschaftsexperiment des Zurich-Basel Plant Science Center. Es ist ein Kompetenzzentrum für Pflanzenwissenschaften, an dem die drei Hochschulen ETH Zürich, Universität Zürich und Universität Basel beteiligt sind. Seit 2021 macht die Anna-Zemp-Stiftung an diesem Experiment mit. Dabei geht es darum, in zwei Gewächshäusern mit knapp 20 Quadratmeter Grundfläche die Auswirkungen des Klimawandels bei unterschiedlichen Temperaturen aufzuzeigen.

In den Gewächshäusern werden klimarelevante Experimente durchgeführt.
Elisabeth Böhm
Ein Gewächshaus wird um drei Grad über der heutigen Durchschnittstemperatur eingestellt, das zweite um sechs Grad. Zusätzlich werden in jedem Gewächshaus dem rechten Beet etwa 30 Prozent weniger Wasser gegeben als dem linken, um so den Stress der Pflanzen zu erhöhen und eine klarere Aussage zu machen, was die Menschheit im Jahr 2085 erwarten könnte, wenn es nicht gelingt, die Treibhausgasemissionen um 50 Prozent zu senken.
Klimatischen Veränderungen erleben
«Nur über Klimawandel zu berichten, greift zu kurz», ist Kaspar Hitz überzeugt. Das sei zu abstrakt, zeitlich zu weit weg, das sei für viele Menschen nicht fassbar. «Wenn sie aber sehen, dass eine Kartoffel im sechs Grad wärmeren Gewächshaus und noch dazu mit weniger Wasser sehr viel kleiner ist als bei nur drei Grad und normal viel Wasser, wird die klimatische Veränderung erlebbar.» Bei diesem öffentlichen Experiment beteiligen sich schweizweit auch verschiedene Schulen, unter anderen das BBZ Arenenberg. Es gehe darum, wie transformative Bildung die dringenden Herausforderungen des Klimawandels angehen könne, heisst es auf der Internetseite der ETH Zürich.
Die Schülerinnen und Schüler respektive die Besucher und Besucherinnen des Klimagartens können sich durch das Erleben kritisch mit der komplexen Realität des Klimawandels auseinandersetzen und ihn sinnlich erfahren. Und schliesslich geht es auch darum, das Klimaparadox zu verstehen. Das heisst, dem Widerspruch zwischen dem, was die Menschen über den Klimawandel wissen, und dem, was sie tun, näher zu kommen, wie Juanita Schläpfer-Miller, Mitherausgeberin des Buches «Klimagarten 2085», schreibt.
Projekt «Duftplanzen»
In diesem Jahr werden in den beiden Gewächshäusern Duftpflanzen angebaut, um den Einfluss von Blumendüften und Blumemformen zu untersuchen. Während der vier Sommermonate wachsen unter anderem Ackersenf, Rettich, Ringelblume und Lupine. Viele ökologische Zusammenhänge sind oft unsichtbar, wie etwa die feinen chemischen Signale zwischen Pflanzen und Bestäubern.
Bei steigenden Temperaturen können solche Signale aus dem Gleichgewicht geraten. Zurzeit wachsen erst Sonnenblumen, Ringelblumen und Tabak in den Häusern, der Rest wird in den nächsten Tagen gesät respektive gepflanzt werden. Man kann gespannt sein, welche Ergebnisse das Experiment liefern wird.