
Ein deutsch-schweizerisches Abkommen aus dem Jahr 1958 erlaubt es Schweizer Bauern, im grenznahen Deutschland Ackerland zu erwerben und zu bestellen. Dafür werden sie von Brüssel finanziell unterstützt.
Stefan Hilzinger
Etwa 80 Schweizer Betriebe wurden im Jahr 2024 mit umgerechnet rund 720'000 Franken von der EU unterstützt. Dies ergab eine Recherche des «Blick». Ein Abkommen aus dem Jahr 1958 erlaubt es Schweizer Bauern, im grenznahen Deutschland Ackerland zu erwerben, es zu bestellen und die Produkte zollfrei zu importieren. Im Rahmen der «Gemeinsamen Agrarpolitik» (GAP) der EU werden sie dafür von Brüssel finanziell unterstützt.
Christian Müller, SVP-Politiker und Präsident des Schaffhauser Bauernverbandes, ist einer jener Landwirte, die von der EU finanziell unterstützt werden. Laut der «Blick»-Recherche habe Müller im Jahr 2024 eine Summe im unteren fünfstelligen Bereich erhalten. Deutsche Bauern und Politiker stören sich nicht nur an dem «veralteten» Abkommen, sondern auch daran, dass EU-Gelder in die Schweiz fliessen. Schweizer Bauern erwidern, dass sie sich nur an das Abkommen und an sämtliche Vorgaben halten.
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Abkommen gilt auch für deutsche Bauern
Christian Müllers Betrieb in Thayngen SH liegt rund 650 Meter von der deutsch-schweizerischen Grenze entfernt. Er betreibt Mastrinderhaltung und Kartoffelbau nach ÖLN- und IP-Suisse-Richtlinien auf 100 ha Nutzfläche. Ein Drittel seiner Fläche liegt ennet der Grenze, eine Familientradition. Denn die Familie Müller bewirtschaftet seit den 1930er-Jahren Land in Deutschland.
Für deutsche Bauern ist der Erwerb von Schweizer Ackerland wegen höheren Kosten schwer, auch wenn das Abkommen es erlaubt. Die Produktion in der Schweiz ist für sie teurer und die Verkaufspreise in Deutschland niedriger. Das Abkommen, das in den Nachkriegsjahren die nachbarschaftlichen Beziehungen gefördert haben mag, nützt deutschen Bauern heute kaum. Schweizer Bauern hingegen scheinen weiterhin davon zu profitieren: Sie bewirtschaften mittlerweile rund 5700 Hektaren im benachbarten Deutschland. Das entspricht etwa der LN des Kantons Nidwalden.
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Alles geht mit rechten Dingen zu
Müller könne nicht nachvollziehen, warum deutsche Bauern ihm EU-Gelder vorenthalten wollen, schliesslich liegen die Flächen in einem EU-Land. «Gelder gibt es für klar umrissene Leistungen, nicht einfach so. Wir pflegen die Flächen und unterliegen dabei den üblichen Kontrollen», sagte er dem «Blick». Auch seien es die deutschen Behörden gewesen, die den Schweizer Bauern Zugang zu EU-Geldern gewährt hätten.

Christian Müller ist Präsident des Schaffhauser Bauernverbands. Für ihn stimmts. Er stehe zu den Geldern, die er aus Brüssel erhält.
Thomas Güntert
«Die Schweizer seien aktiv eingeladen worden, an der ‘Gemeinsamen Agrarpolitik’ teilzunehmen», heisst es im «Blick». Zudem würden die deutschen Bauern ihr Land freiwillig verkaufen oder verpachten. «Schweizer Bauern halten sich an sämtliche Vorgaben, zahlten Wegsteuern und beteiligten sich an lokalen Güterkooperationen», erklärt Müller dem «Blick».
So viel Geld erhalten Schweizer Bauern aus Brüssel
Der Kanton Schaffhausen teilt 158 Kilometer seiner Grenze mit Deutschland, jedoch nur 35 Kilometer mit anderen Schweizer Kantonen. Rund jeder vierte Schaffhauser Bauer besitzt Land im benachbarten Deutschland . Wie der «Blick» recherchiert hat, flossen denn auch die meisten der umgerechnet rund 720'000 Franken, die im Jahr 2024 von Brüssel für Schweizer Bauern bezahlt wurden, in diesen Grenzkanton. Allein die Bauern der beiden Schaffhauser Gemeinden Schleitheim und Thayngen erhielten umgerechnet rund 330'000 Franken.
Laut «Blick» ist es ein Landwirt aus Schleitheim SH, der mit Abstand die höchste Summe aus Brüssel erhielt: rund 67’000 Franken. Auf den Plätzen zwei und drei folgen ein Betrieb in Beggingen SH (34'200 Franken) und eine Ackerbau-Gesellschaft in Basel (31'300 Franken). Aber auch einzelne Höfe in den Kanton Aargau, Zürich und Basel-Stadt erhielten EU-Gelder.
Deutsche Bauern kritisieren, dass Schweizer Bauern nicht nur von dem Abkommen profitieren, sondern auch noch finanziell unterstützt werden. Politiker, vor allem aus dem Bundesland Baden-Württemberg (siehe Post unten), haben diese Kritik der deutschen Bauern aufgegriffen und streben auf politischer Ebene eine Änderung an. Bis es so weit ist, gilt weiterhin das «Schweizerisch-deutsche Abkommen über den Grenz- und Durchgangsverkehr» aus dem Jahr 1958.