«Wir haben keine Angst vor Preisdruck»

Der Biomarktanteil im Detailhandel stagnierte letztes Jahr. Ziel von Bio Suisse ist es aber, auch künftig zu wachsen. Urs Brändli sagt, wie das gelingen soll und warum er keine Angst hat, dass die Produzentenpreise sinken. Der «Schweizer Bauer» hat ihn zu einem Gespräch getroffen. 

Reto Blunier |

«Schweizer Bauer»: Wenn Sie auf das Biojahr 2024 zurückblicken, was hat Ihnen Freude bereitet?

Urs Brändli: Wir konnten trotz schwierigem Umfeld den Marktanteil im Detailhandel halten. Wir stehen bei 12,3 Prozent. Das freut mich sehr.

Im vergangenen Jahr haben 90 Knospe-Betriebe aufgehört. Per Ende Dezember waren noch 7’272 Betriebe zertifiziert. Beunruhigt Sie der Rückgang?

Nein. Jedes Jahr verliert die Schweizer Landwirtschaft ein bis zwei  Prozent der Betriebe. Wir spüren diese negative Entwicklung das erste Mal seit vielen Jahren. Kleinere Betriebe haben aufgegeben, weil beispielsweise die Nachfolge fehlt. Und es gab Betriebe, die aus der Knospe ausgestiegen sind. Das gab es schon früher. Zudem haben wohl aufgrund des unsicheren wirtschaftlichen Umfelds auch weniger Betriebe umgestellt.

«Es gibt aber einen unfairen Wettbewerb am Regal.»

Urs Brändli

Und was tut Bio Suisse dafür, dass wieder mehr Bauern auf die Knospe umsteigen?

Wir möchten den Kundinnen und Kunden den Mehrwert von Bio aufzeigen und sie so für Bioprodukte gewinnen. Dadurch steigt die Nachfrage. Und das zeigt konventionellen Betrieben auf, dass Potenzial vorhanden ist. Die besten Argumente für einen Umstieg sind ein guter Absatz und faire, angemessene Preise.

Überraschend kommt Ihre Idee, Bioprodukte von der Mehrwertsteuer zu befreien. Welche Argumentation steht dahinter? Spalten Sie so nicht die Landwirtschaft? Sind konventionelle Produzenten die «Bösen»?

Nein, das hat nichts mit Gut und Böse zu tun. Letztlich produziert die Landwirtschaft das, was nachgefragt wird. Dass wir aber beim Schutz von Natur und Umwelt Herausforderungen haben, streitet niemand ab. Dabei wird oft kritisiert, dass Bio zu teuer ist und dass deshalb weniger gekauft wird. Es gibt aber einen unfairen Wettbewerb am Regal.

Führen Sie das aus.

Mehrere Studien zeigen klar auf, dass der Biolandbau deutlich weniger externe Kosten verursacht. Diese Kosten werden durch die Steuerzahlenden und die nächsten Generationen berappt. Bei den teureren Bioprodukten sind diese externen Kosten im Preis enthalten. Um den Absatz zu fördern, gäbe es die Möglichkeit, Konsumenten von Bioprodukten finanziell zu entlasten, denn es werden kaum Steuergelder benötigt, um diese externen Schäden zu beheben. Das wäre doch eine faire Rechnung.

Also brauchen Sie die Politik, um zu wachsen?

Nein. Aber die Agrarpolitik hat einen grossen Einfluss, wie produziert wird und was produziert wird, und da sollte die Politik auch die Verantwortung übernehmen.

Sie haben gesagt, der Handel müsse den Biobauern Perspektiven bieten. Macht er das?

Ich habe keine Detailzahlen, aber ich würde sagen, die grosse Mehrheit der Biobäuerinnen und Biobauern ist zufrieden, weil Aufwand und Ertrag stimmen. Wir haben auch ein sehr gutes Verhältnis mit dem Detailhandel. Wir konnten in der Vergangenheit, wenn Preiserhöhungen angezeigt und gut begründet waren, diese sehr oft auch umsetzen, beispielsweise bei den Eiern oder der Milch.

Unsere Aufgabe ist, die Preisforderungen ohne Druck, Protest und Traktoren durchzusetzen.»

Urs Brändli

Der Preis wird immer wichtiger im Detailhandel. Stört es Sie als Bio-Suisse-Präsident, dass auch Bioprodukte zu Discountpreisen angeboten werden?

Discount ist ein Teil unserer Gesellschaft. Wir sollten uns nicht darüber aufregen, sondern vielmehr versuchen, jenen Kunden, die nicht nur möglichst billig einkaufen wollen, die Mehrwerte der Knospe zu erklären und näherzubringen. Billig-Bioprodukte können auch als Türöffner dienen. Leute, die preissensibel sind, kommen so in Kontakt mit Bioprodukten.

Es kann aber auch eine Gefahr sein, dass der Preis immer mehr in den Vordergrund rückt. Detailhändler beteuern zwar, die Produzentenpreise nicht anzutasten. Sinken die Preise immer weiter, ist das jedoch nicht garantiert.

Unsere Hauptaufgabe wird auch künftig sein – und zwar nicht mit Druck, Protest und Traktoren –, unsere Preise durchzusetzen. Wir lösen das zusammen mit unseren langjährigen Partnern in den Verhandlungen. Und solche Situationen eröffnen auch immer Chancen. Wir können mit neuen Produkten neue Märkte erschliessen.

Sie haben also keine Angst vor Preisdruck?

Schweizer Bioprodukte werden auch künftig gesucht sein. Damit sie aber auch produziert werden, muss der Biolandwirt einen angemessenen Preis realisieren. Ich bin überzeugt, dass wir da im Gespräch mit unseren Partnern gute Lösungen finden werden. Deshalb habe ich keine Angst vor einem Preisdruck. Am Ende ist jeder Landwirt auch Unternehmer.

Das heisst?

Für landwirtschaftliche Betriebe geht es eben nicht nur darum, sich für hohe Preise oder gute Preise einzusetzen. Es ist auch unsere Aufgabe, unsere Betriebe mit unternehmerischem Denken und gezieltem Wirtschaften zu führen. Die Prozesse und Kosten im Betrieb müssen immer wieder analysiert werden, denn sie tragen sehr viel zum wirtschaftlichen Erfolg bei.

Der Sonnhaldenhof der Familie Grüter

Die Bio-Suisse-Jahresmedienkonferenz fand auf dem Sonnhaldenhof der Familie Grüter in St.Urban LU statt. «Der Hof steht mit seiner Betriebsstruktur und seiner Ausrichtung auf den Detailhandel symbolhaft für eine moderne und nach vorne gerichtete Biolandwirtschaft», sagte Bio-Suisse-Mediensprecher David Herrmann. Der Pachtbetrieb des Kantons Luzern ist seit 2018 Knospe-zertifiziert.

«Wir haben uns im Alter von 50 Jahren überlegt, wohin wir unseren Betrieb in den nächsten 15  Jahren entwickeln wollen», sagte Thomas Grüter, der zusammen mit seiner Frau Brigitte, seinem Sohn Marc, seiner Schwiegertochter Franzisca sowie drei Mitarbeitenden und drei Lernenden den Hof bewirtschaftet. Angesichts des agrarpolitischen Umfelds und des Konsumverhaltens sei für sie vor 10 Jahren klar gewesen: «Wir stellen auf Bio um.» Grüters bewirtschaften 107 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche.

Darauf produzieren sie das Wiesen- und Weidefutter für ihre 115 Milchkühe sowie Weizen, Dinkel, Sonnenblumen, Ackerbohnen, Soja, Silound Körnermais. Weiter halten Grüters 500 Mastschweine und haben eine 2,5 Hektaren grosse Obstanlage. Die über 720’000 Kilo Milch liefern sie via Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) an die Emmi  AG, wo sie hauptsächlich zu Mozzarella verarbeitet wird. Thomas Grüter ist Präsident der ZMP und Vizeverwaltungsratspräsident der Emmi AG.

«Als wir umgestellt haben, hatten wir eine reine Holsteinzucht», sagte Marc Grüter. Jetzt setzen sie auf eine Rotationszucht mit Swiss Fleckvieh, neuseeländischen Kiwi-Cross und Norwegischem Rotvieh. Die Kälberaufzucht übernehmen bei der Familie Grüter einige Ammenkühe. «Das funktioniert wohl nur so gut, weil es Milchund keine Mutterkühe sind», so Marc Grüter. bki

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