«Vergiftetes Versprechen» titelte die «NZZ am Sonntag». Bei «20 Minuten» lautet die Schlagzeile auf der Online-Seite «Fenaco-Bauern-Connection: Das ist die neue Pestizid-Lobby». Doch was steckt dahinter?
Nationalrätin Katja Riem (SVP, BE) und Ständerätin Johanna Gapany (FDP, FR) reichten in beiden Parlamentskammern einen Vorstoss ein, der das Gewässerschutzmonitoring jenem der Europäischen Union (EU) angleichen will. In der Schweiz werden Mischproben im Zweiwochentakt verwendet, um zu entscheiden, ob ein Grenzwert überschritten ist oder nicht.
Äpfel mit Birnen verglichen
Dagegen wird in Deutschland in Oberflächengewässern für andauernde Grenzwerte eine Jahresdurchschnittskonzentration über die ganze Vegetationsperiode von April bis Oktober ermittelt. Dies führt laut Katja Riem dazu, dass die Schweizer Resultate mit jenen der EU nicht vergleichbar sind. «Es werden quasi Äpfel mit Birnen verglichen, was nicht sehr glaubwürdig ist», begründet Riem in der Motion.

Nationalrätin Katja Riem (SVP, BE) sagt zu ihrem Vorstoss: Es handelt sich um normale Politarbeit.
Daniel Salzmann
Es sei darum dringend notwendig, dass die Schweiz nicht nur die Zulassung und die Qualitätsstandards der EU übernehme, sondern auch das Monitoring, mit welchem diese überprüft würden, so Riem in der Motion. Vor einem Monat empfahl der Bundesrat die Motion von Leo Müller (Nationalrat Mitte, LU) zur Annahme, die fordert, dass ein Grenzwert dann als überschritten gilt, wenn er an mindestens 20 % der Messstellen nicht eingehalten wird, und nicht in 10 % der Fälle wie bis anhin (siehe Kasten).
Bundesrat will Grenzwerte anpassen
Leo Müller (Nationalrat Mitte, LU) will mit seiner Motion «Realistisches Monitoring für den Gewässerschutz» eine Änderung der Gewässerschutzverordnung erzielen. Die Verordnung soll so angepasst werden, dass der Grenzwert dann für Oberflächengewässer als wiederholt und verbreitet überschritten gilt, wenn er in mindestens 20 Prozent aller untersuchten Gewässer überschritten wird und eine Verbreitung mindestens in vier von fünf aufeinanderfolgenden Jahren gemessen wird. Bis jetzt gilt der Wert als überschritten, wenn er in mindestens 10 Prozent der Gewässer überschritten wird. Der Bundesrat antwortete, der Gewässerschutz werde aktuell mit verschiedenen Massnahmen gestärkt.
«Gleichzeitig möchte der Bundesrat die inländische Nahrungsmittelproduktion stärken», schreibt die Landesexekutive. Er habe im Zwischenbericht Aktionsplan Pflanzenschutzmittel vom 8. Mai 2024 festgestellt, dass Lücken im Schutz der Kulturen entstanden sind, weil vielen Wirkstoffen die Genehmigung entzogen worden ist. «Die fraglichen Pflanzenschutzmittel sind oftmals die einzige Möglichkeit, die wichtigsten Schädlinge in vielen Gemüsekulturen, Raps und Zuckerrüben wirksam zu bekämpfen.» Vor diesem Hintergrund seien Massnahmen notwendig, wozu die von der Motion geforderte Anpassung zähle. Die Diskussion der Vorlage im Nationalrat wurde letzte Woche verschoben.
Kein «geheimer Komplott»
Die «NZZ am Sonntag» bezeichnet diese Entwicklung als Kehrtwende, hinter der eine neue Gruppe bäuerlicher Parlamentarier stecke, denen der Gewässerschutz heute zu weit gehe. «Es tönt so, als wären wir ein geheimer Komplott. Es ist aber ganz normale Politarbeit, zu der sich einige Politiker ad hoc zusammengefunden haben», sagt Riem auf Anfrage. Dahinter stecke auch kein Verband und kein Unternehmen, sie seien also keine Pestizid-Lobby, wie es «20 Minuten» schreibt.

Ständerätin Johanna Gapany (FDP/FR).
Adrian Haldimann
Verordnung, nicht Gesetz
Gegenüber «20 Minuten» sagte Fenaco-Verwaltungsrätin Gapany, sie gehöre der Gruppe nicht an. «Ich bin unabhängig und verteidige die sichere Produktion von Nahrungsmitteln, ohne jeglichen Druck von aussen», sagt sie. Riem sei bereits am Donnerstagmorgen von der Presse abgefangen worden, nachdem der Vorstoss am Mittwochabend eingereicht worden war.
Das habe sie erstaunt. «Der Artikel ist einmal mehr eine Kritik an der Landwirtschaft», so die Nationalrätin. Mit dem Vorstoss wollten sie und Gapany wieder eine realistischere Vorgehensweise einführen. Für Riem ist die Anpassung minimal, da sie sich nur auf die Gewässerschutzverordnung und auf kein Gesetz bezieht.
