«Wir wollen erleben, wie sich ein Projekt entwickelt»

Meisterlandwirt Peter Helfenberger hat oberhalb von Wuppenau vor fünf Jahren einen Esskastanien-Anbauversuch gestartet. Wie sich das Projekt entwickelt hat.

Werner Lenzin |

Wir stehen auf dem Rütiacker, einem von der Bise geschützten Südabhang weit oberhalb von Wuppenau TG. Der 54-jährige Meisterlandwirt Peter Helfenberger greift in einen seiner insgesamt 50 Edelkastanienbäume und hält einen Ast mit reifenden Früchten, kleine grüne und runde Igelchen, in der Hand.

Nur 2 Prozent auf Alpennordseite

Die Schale rund um die eigentliche Frucht hat aggressive Stacheln, die empfindlich stechen können. «Diese verrotten nicht, und wir müssen sie mit Rücksicht auf den Unternutzen zusammenlesen», erklärt er. Edelkastanien sind untypisch für diese Gegend oberhalb von Wuppenau auf einer Höhe von 709 Meter über Meer.

Üblicherweise prägen hier Obstbäume das Landschaftsbild. Schweizweit sind etwas über 2 Prozent aller Waldbäume Edelkastanien, 98 Prozent davon gedeihen auf der Alpensüdseite – im Tessin, im Calancatal, im Misox, im Puschlav und im Bergell. Auf der Alpennordseite wachsen Edelkastanien hauptsächlich an milderen Lagen in Seenähe und im Unterwallis bis auf eine Höhe von 1’000 Meter über Meer.

Anbau von vier Sorten

Zusammen mit einem Bruder und drei Schwestern wuchs Helfenberger auf dem von seinem Urgrossvater 1913 erworbenen Betrieb auf. Er wäre lieber Buchhalter geworden, doch er wurde dazu «verknurrt», Landwirt zu lernen. Heute lebt er in vierter Generation auf dem Hof in Almensberg zusammen mit seinen vier Kindern zwischen 14 und 20 Jahren.

«Seit je neige ich dazu, Neues auszuprobieren. Ich habe schon vor Jahren Nussbäume angepflanzt», blickt er zurück. Motiviert für den Anbau von Edelkastanien hat ihn Richard Hollenstein, sein früherer Berufsschullehrer. Das unter dem Motto: «Wir wollen keine Direktzahlungsoptimierung, sondern wir wollen erleben, wie sich ein Projekt entwickelt.» Gesagt, getan. Vor fünf Jahren pflanzte der Almensberger Landwirt während der Zeit der Umstellung auf biologische Produktion die ersten Edelkastanien. Er hat sich dabei für vier Sorten entschieden.

Wildfrass und Feldmäuse

Im Gegensatz zum Apfelbaum, wo die Früchte in der Baumkrone wachsen, gedeihen sie bei der Edelkastanie am Astende. «Vier Sorten habe ich angepflanzt, damit ich die unterschiedliche Bestäubung beobachten kann», sagt Helfenberger. Er bezeichnet die Edelkastanie, für die er bisher keinen Pflanzenschutz einsetzen musste, als ideal für den Bioanbau.

Unter dem Biolabel betreibt er auch die Mutterkuhhaltung, den Obst- und den Maisanbau und bald einmal auch wieder den Weizenanbau. Die Wildkastanien kennen bislang nur zwei Gegner: Feldmäuse, die die Wurzeln anfressen, und Wild, das die Rinde verbeisst. Erstere bekämpft er mit modernen Fallen, und gegen den Wildverbiss bringt er Netze aus Kunststoff an. Zur Verbesserung des Boden-pH-Werts setzt Helfenberger Tannensägemehl oder allenfalls Schwefel ein.

Von 3 auf 100 Kilo pro Baum

Von den gepflanzten Edelkastanienbäumen erntet Helfenberger dieses Jahr lediglich 3  Kilogramm. «Mich interessiert nicht das Geld, sondern der Versuch und das Beobachten im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung», sagt er. Und er ist davon überzeugt, dass in 20 Jahren die fünfte Generation 100  Kilogramm Kastanien pro Baum ablesen wird.

Dafür wird wohl seine älteste Tochter Heidi sorgen, die nach ihrer Ausbildung zur Fachangestellten Gesundheit zurzeit eine landwirtschaftliche Lehre absolviert. Anders sieht es bei Helfenbergers Nussbäumen aus, diese liefern ihm dieses Jahr einen Ertrag von 500 Kilogramm. «Ich könnte mir gut vorstellen, als Rentner einmal auf Jahrmärkten heisse Marroni zu verkaufen», verrät der vielseitige Landwirt.

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