
Mit einer Petition wollen Tessiner Tierzüchter die Wolfspopulation in ihrem Kanton deutlich verringern.
Kurt K.
Der 27-jährige Tessiner Bauer Matteo Ambrosini trauert um seine Ziegen. Wenn er sich auf seinem Handy alte Fotos von seinen Ziegen anschaut, wird er wehmütig. Denn seine Ziegenherde gibt es nicht mehr. Aus Ohnmacht gegenüber dem Wolf hat er seine Ziegen verkauft, berichtete die «Neue Zürcher Zeitung» kürzlich.
«Man muss die Wölfe konsequenter regulieren»
Früher liess der junge Bauer seine Ziegen frei herumlaufen, schreibt die NZZ. Mit dem Aufkommen der Wölfe sah er sich jedoch dazu gezwungen, sie abends zusammenzutreiben und einzuzäunen. Aus Sicherheitsgründen habe er dabei mehr Geld in Zäune investiert, als ihm für den Herdenschutz zugestanden wurde. Trotz dieser Massnahmen habe er sich dem Wolf gegenüber schutzlos und ausgeliefert gefühlt.
Die Bedrohung durch den Wolf wurde für ihn zunehmend zu einer physischen und psychischen Belastung. Deshalb beschloss Ambrosini, seine Ziegen zu verkaufen. Für ihn gibt es nur eine Lösung. «Man muss die Wölfe konsequenter regulieren», wird er von der «Neue Zürcher Zeitung» zitiert. Er appelliert an die Bevölkerung und die Politik, sich zu entscheiden, ob sie touristisch erschliessbare Alpen wollten oder nicht. Denn durch einen Wegfall der Alpwirtschaft würde den Tessiner Alpentälern vermutlich eine Verbuschung drohen.
Proteste der Tessiner Bauern
Mit seinem Widerstand gegen die dominierende Präsenz des Wolfes im Tessin steht Ambrosini nicht allein da. So haben Mitte Oktober rund 300 Personen für den Schutz der Tessiner Alpen vor dem Wolf demonstriert. Mit der Protestkundgebung sollte auf die schwierige Situation der Tessiner Alpwirtschaft aufmerksam gemacht werden, die laut den Organisatoren von den kantonalen Behörden nicht ausreichend geschützt wird. Schätzungen zufolge sind 74 Prozent der Schafalpen und 79 Prozent der Ziegenalpen im Tessin nachts ungeschützt.
Der Tessiner Bauernverband und mehrere Tessiner Viehzüchter- und Landwirtschaftsverbände lancierten dazu die Petition «Verlieren wir keine Zeit mehr! Retten wir jetzt oder nie die Tierzucht und die Tessiner Alpwirtschaft». Im Wesentlichen fordert die Petition eine drastische Reduzierung der Wolfspopulation im Tessin, eine finanzielle Unterstützung für Viehzüchter sowie eine Gesetzesreformen, die es Hirtinnen erlauben, ihre Herden bei Wolfsangriffen aktiv zu verteidigen.
Steigende Risszahlen im Tessin
Eine solche «aktive» Verteidigung gegen Wolfsangriffe ist heute bereits möglich. Die revidierte Jagdverordnung erlaubt es den Kantonen, Wölfe präventiv zu schiessen, um Schäden an Nutztieren zu verhindern, auch wenn keine unmittelbare Gefährdung des Menschen vorliegt. Voraussetzung ist, dass bereits Herdenschutzmassnahmen ergriffen wurden und eine gewisse Schadensschwelle erreicht ist. Seit dem 1. September und noch bis zum 31. Januar dürfen zudem mit Zustimmung des Bundesamts für Umwelt ganze Wolfsrudel geschossen werden, um Schäden zu vermeiden.
-> Bund: 21 Wolfsrudel dürfen reguliert werden
Die «Rissbilanz 2025» von Pro Natura zeigt, dass die Zahl der gerissenen Nutztiere in den meisten betroffenen Kantonen rückläufig oder stabil ist. Einzig im Kanton Tessin sind die Risse von 115 im Jahr 2024 auf 195 im Jahr 2025 gestiegen. Lukas Berger, Präsident des Schweizerischen Schafzuchtverbands, sagte jedoch gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, dass diese Zahlen mit «sehr grosser Vorsicht» zu verstehen seien, da die Erfassung unterschiedlich gehandhabt werde.
Kommentare (2)