Zahnbelag mag eklig sein - für einmal hat er sich aber als nützlich erwiesen: Ein Forscherteam mit Zürcher Beteiligung konnte im Zahnbelag den Milchkonsum von Menschen der letzten 5000 Jahre nachweisen. Auch den Untergang der mittelalterlichen Nordmännersiedlungen in Grönland konnten sie damit rekapitulieren.
Der Mensch konsumiert seit mindestens 8500 Jahren Milch und Milchprodukte. Doch direkte Nachweismethoden, seit wann und wie häufig in vergangenen Kulturen Milchprodukte verzehrt wurden, fehlten bisher. So einen Marker haben Christina Warinner von den Universitäten Zürich und Oklahoma und Kollegen nun gefunden.
Verlässlicher Indikator
Es ist ein Molkeprotein namens Beta-Lactoglobulin (BLG). Die Forschenden konnten es im Zahnbelag von Menschen aus der Bronzezeit (etwa 3000 vor Christus) bis heute in Europa und Südwestasien nachweisen, wo Milchprodukte Tradition haben, wie sie im Fachjournal «Scientific Reports» berichten.
Sie fanden indes kein BLG auf Zähnen aus Westafrika, wo traditionell wenig Milch konsumiert wird. Der Marker kann zwischen Kuh-, Schaf- und Ziegenmilch unterscheiden. Gemäss den Forschenden ist BLG somit ein verlässlicher Indikator, um die Muster des Milchkonsums in der jüngeren menschlichen Geschichte zu erforschen.
Untergang der Nordmänner
Als Testfall dienten Zahnfunde aus den mittelalterlichen nordischen Siedlungen in Grönland. Diese Nordmänner oder «Graenlendingar» besiedelten um 1000 nach Christus den Süden Grönlands und verschwanden um 1550 aus bisher ungeklärten Gründen wieder.
Der BLG-Nachweis in Zähnen aus verschiedenen Siedlungsphasen bestätigt, dass die Kolonie zwischen rund 1200 und 1500 nach Christus ihre Nahrungsgrundlage dramatisch geändert hatte: Während sie vorher von Viehzucht lebten und viel Milch und käseähnliche Molkeprodukte konsumierten, stellten sie in dieser Zeit auf den Robbenfang um.
Kälte dezimierte Rinderherden
Als Ursache vermuten die Forschenden das kalte Wetter in der «Kleinen Eiszeit», die von etwa 1250 bis ins 19. Jahrhundert dauerte: Die Kälte dezimierte die Rinderherden der Nordmänner, die sie zuvor in kälteisolierten Ställen überwintert hatten. Ohne Milch und Fleisch sei die Nahrungssicherheit insbesondere im Winter verringert gewesen, schreiben die Forschenden.
Ihre Resultate stützten die These, dass die «Kleine Eiszeit» dazu geführt hat, dass die Grönlandkolonien im 16. Jahrhundert aufgegeben wurden, schliessen die Wissenschaftler.