Ein Pilotprojekt des Bundes soll zeigen, wie wertvolle Futterpflanzen-Ökotypen aus Naturwiesen insbesondere für die Züchtungsarbeit erhalten werden können. Die Bauern spielen dabei eine wichtige Rolle.
Die Schweiz hat sich international verpflichtet, die Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen für Landwirtschaft und Ernährung zu fördern. Dazu wurde 1997 der Nationale Aktionsplan zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (NAP-PGREL) ins Leben gerufen. Bisher lag der Fokus auf den Kulturpflanzenarten wie Getreide und Obst. Nun sollen Möglichkeiten für die Erhaltung der Futterpflanzenvielfalt des Wieslandes gefunden werden.
Ökotypen im Fokus
Fast alle wichtigen Futterpflanzenarten sind weit verbreitet und häufig. Anders als im Naturschutz geht es deshalb bei diesen Bestrebungen nicht um den Schutz von Arten. Im Zentrum steht vielmehr die Erhaltung der genetischen Vielfalt, die innerhalb der Futterpflanzen im Grünland der Schweiz vorhanden ist.
Ein Beispiel: Vom Wiesenschwingel ist bekannt, dass er sich genetisch und vom Aussehen her, aber ebenso bezüglich seiner Anpassungen und Resistenzen stark unterscheidet je nach Wiese, von der er stammt. Pflanzen, die jahrzehntelang an trockenen, an beweideten oder an besonders hoch gelegenen Standorten gewachsen sind, haben sich an die spezifischen Bedingungen dieses Standorts angepasst.
Für die Züchtung futterbaulich wertvoller Sorten ist diese Vielfalt an Anpassungsformen von grundlegender Bedeutung. Die Schweizer Züchtungsarbeit im Bereich Futterpflanzen geniesst international einen hervorragenden Ruf. Aus den Ökotypen unserer Naturwiesen gehen Sorten hervor, die unter Schweizer Anbaubedingungen ausdauernd und bezüglich Ertrag und Futterqualität besonders leistungsfähig sind.
Wiesenbestände erhalten
Anders als beispielsweise bei den Obst- oder Getreidesorten kommen die Futterpflanzen in unseren Naturwiesen nicht als definierte «Sorten» vor, sondern als sogenannte Ökotypen. Je mehr sich zwei Naturwiesen vom Standort und der Nutzung her unterscheiden, desto unterschiedlicher sind in der Regel die dort vorkommenden Ökotypen. Jede Naturwiese hat so ihren «eigenen», spezifisch angepassten Ökotyp der verschiedenen Futterpflanzenarten.
Bedingt durch Nutzungsänderungen infolge technischen Fortschritts und sich ändernde Rahmenbedingungen, aber auch durch Übersaaten mit Zuchtformen, welche sich genetisch mit den lokal vorkommenden Ökotypen vermischen und und damit ihre speziellen Eigenschaften quasi «verwässern», dürfte sich die genetische Vielfalt unter den Futterpflanzen-Ökotypen in der Schweiz in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert haben. Um die grosse Vielfalt an Ökotypen zum Beispiel für die Züchtung zu erhalten, soll mit dem Pilotprojekt aufgezeigt werden, wie die Erhaltung der wichtigsten Futterpflanzenarten unter Berücksichtigung solcher Entwicklungen gefördert werden kann. Dazu braucht es neue, geeignete Ansätze – Genbanken und Sortengärten allein führen nicht zum Ziel. Die immense, bisher fast völlig unbekannte Vielfalt an Ökotypen innerhalb der einzelnen Arten kann bei den Futterpflanzen nur in ihren angestammten Lebensräumen erhalten werden (sogenanntes In-situ-Erhaltungskonzept).
Pilotprojekt Luzern-Uri
In einem Pilotprojekt, das in den Kantonen Luzern und Uri durchgeführt wird, will das Bundesamt für Landwirtschaft eine Methodik und gangbare Vorgehensweisen für die Erhaltung der Futterpflanzenvielfalt entwickeln.
Mit der Federführung des Projektes wurde die Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Futterbaues (AGFF) betraut. Realisiert vor Ort wird es von einem AGFF-Mitarbeiter und von zwei privaten Institutionen, in enger Absprache mit den zuständigen Amtsstellen der beiden beteiligten Kantone. Die Wiesenbestände – 40 bis 120 pro Kanton – werden ausgewählt mithilfe eines statistischen Rasters, ergänzt mit Begehungen vor Ort. Bei der Flächenauswahl wird eine möglichst breite Palette unterschiedlicher Standortfaktoren und Nutzungen erfasst. Es kommen dabei nur Naturwiesen infrage, wo keine Übersaaten gemacht wurden.
*Willy Kessler arbeitet bei der AGFF Zürich-Reckenholz