Bienen, Ameisen und Termiten sind nicht die einzigen Insekten mit einer sozialen Lebensweise: Biologen der Universität Bern haben erstmals nachgewiesen, dass auch bei einer Käferart innerhalb der Kolonie eine Arbeitsteilung herrscht.
Die Verhaltensökologen Peter Biedermann und Michael Taborsky von der Uni Bern fanden das kooperative Verhalten beim «Kleinen Holzbohrer», einer Unterfamilie des Borkenkäfers. Diese einheimische Käferart lebt in Gangsystemen, die sie in das abgestorbene Holz diverser Baumarten bohrt. In den Gängen züchten die Käfer so genannte Ambrosiapilze, von denen sie sich ernähren.
Weil das Kultivieren der Pilze äusserst arbeitsintensiv ist für die Käfer, vermuteten Forscher bereits früher, dass sich Familienmitglieder dabei gegenseitig helfen würden. Erst jetzt gelang den Berner Biologen aber der experimentelle Nachweis dieses sozialen Verhaltens, wie die Universität Bern am Montag mitteilte.
Junglarven helfen mit
Um den Käfern bei der Arbeit zuzusehen, entwickelten Biedermann und Taborsky künstliche Beobachtungsröhren, in die sie ganze Kolonien der Käfer platzieren konnten. Wie die Forscher im Fachmagazin «PNAS» berichten, gibt es innerhalb eines Nestes eine ganz klare Arbeitsteilung zwischen Generationen und Geschlechtern.
Besonders überraschend und interessant ist laut den Biologen, dass bereits Käferlarven bestimmte Aufgaben im Nest übernehmen. Die wurmartigen Jungtiere reinigen die Kolonie und vergrössern sie, indem sie Löcher ins Holz graben. Ein solches Verhalten sei bisher noch nie beschrieben worden, heisst es in der Mitteilung.
Ausgewachsene Weibchen pflegen die Pilzgärten und bewachen das Nest. Und die Männchen pflegen und putzen andere Familienmitglieder - und begatten die Weibchen. Adulte Weibchen passen ihre Arbeiten sogar der Familiengrösse an - sie tun vielleicht das, was in der Kolonie gerade am dringendsten benötigt wird.
Schwierige Holzsuche
Die Forscher vermuten, dass der enge Verwandschaftsgrad zwischen den Käfern einer Kolonie ein Grund ist dafür, dass die jungen Weibchen nicht sofort von zu Hause ausfliegen, sondern sich aufopfernd um die Brut ihrer Mutter kümmern. Sie können so dazu beitragen, dass Erbgut weiter gegeben wird, das auch sie in sich tragen.
Ein zweiter möglicher Grund liegt in den geringen Erfolgschancen bei der Neugründung eines Nests. Fliegt ein Weibchen aus, muss es zuerst ein geeignetes Stück Holz finden. Das ist nicht einfach: Um einen Pilz zu züchten, müssen viele Faktoren stimmen, etwa die Feuchtigkeit und der Verrottungsgrad des Holzes.
Im Gegensatz zu Bienen oder Ameisen ist der Kleine Holzbohrer aber nicht eusozial: Es gibt nicht eine einzige eierlegende Königin und daneben sterile Arbeiterinnen. Alle Käferweibchen sind fruchtbar. Der Holzbohrer stelle damit eine Zwischenstufe dar zwischen einzeln lebenden und eusozialen Insekten, sagte Biedermann. An ihrem Beispiel lasse sich die Entstehung des Sozialverhaltens ausgezeichnet untersuchen.