Der Förderverein Sbrinz-Route organisiert jährlich eine spezielle Wanderwoche mit einem historischen Saumzug. Redaktorin Anja Tschannen war mit ihrem Freibergerpferd Teil des Saumzuges und berichtet in ihrem Blogtagebuch über die Erlebnisse auf der 150 Kilometer langen Sbrinz-Route von Stansstad NW bis nach Domodossola (I).
Jetzt steht sie kurz bevor, die Sbrinz-Route. In einer Woche von Stansstad NW nach Domodossola (I). Rund 150 Kilometer, drei Alpenpässe, viele Marschstunden und noch mehr Höhenmeter gilt es zu bewältigen. Dieses Abenteuer nehme ich mit meinem sechsjährigen Freibergerwallach Haydo und meiner langjährigen Kollegin Tanya mit ihrem Minishettypony Tina in Angriff.
Wir absolvieren die Sbrinz-Route aber nicht auf eigene Faust, sondern haben uns als Säumer mit eigenen Saumtieren für die offizielle Säumerwanderwoche, welche jeweils in der zweiten Augusthälfte stattfindet und von dem Förderverein Sbrinzroute organisiert wird, angemeldet.
Um daran teilnehmen zu können, haben wir im Vorfeld, genauer im Juni, einen zweitägigen Säumerkurs absolviert. Dort wurde uns von der Leitung mitgeteilt, ob wir und unsere Tiere für das Abenteuer Sbrinz-Route bereit sind oder eben nicht.
Mit Packliste an der Arbeit
Das sind wir, denn nun stehe ich mit der Packliste in der Hand in meinem Wohnzimmer und teile meine sieben oder besser siebentausend Dinge in Tagesgepäck - sprich Gepäck, welches vom Saumtier getragen wird – und normales Gepäck ein. Und wie so oft platzt der Koffer aus allen Nähten. Mithilfe der Packliste und meinen Reiseerfahrungen – ich verreise ja schliesslich nicht zum ersten Mal, bin ich relativ schnell damit fertig.
Bald schon steht Sack und Pack bereit und mir wird langweilig. Denn ganz zu meinem Erstaunen packe ich dieses Mal nicht erst auf den letzten Drücker, sondern bin noch vor dem Eindunkeln damit fertig – vielleicht sollte man da noch erwähnen, dass inzwischen Freitagabend ist und wir morgen früh unser Abenteuer starten.
Sie hat einen positiven Einfluss
Tanya scheint einen positiven Einfluss zu haben, sie hat ihr Gepäck nämlich schon gefühlte drei Wochen – das ist wirklich wahr – im Voraus zusammengestellt. Völlig entspannt gehe ich deshalb kurz vor 20 Uhr noch einmal in den Pferdestall.
Haydo und seine Stallkollegin Gira-Sol kauen auf ihrer Abendration Heu herum. Alles ist ruhig. Ich beschliesse das Gepäck von Haydo herauszustellen, damit wir es am Morgen nur noch fassen und einladen können.
Tierhalter müssen viel organisieren
Mit ruhigem Gewissen verabschiede ich mich von meinen beiden Hafermotoren. Zuhause warten meine Mutter und mein Lebenspartner auf mich beziehungsweise meine Instruktionen. Als Tierhalter zu verreisen, erfordert im Vorfeld nämlich einiges an Organisation.
Während Haydo und ich die Bergwelt unsicher machen, bleibt eine ganze Horde «Viecher» zurück, die täglich versorgt und gepflegt werden will. So machen wir uns in der Abenddämmerung auf zu den Pommernenten und Diepholzergänsen.
Gepäck zwischen lagern
Noch während ich erkläre, welches Häuschen von welchem Federvieh besetzt wird, trudelt Tanya ein. Wir haben nämlich beschlossen, dass sie ihr Gepäck bis zu mir bringt. Denn ihr Minishetty steht im Kanton Bern.
Haydo und ich wohnen im Kanton Freiburg. Und unser morgiger Chauffeur und Tanyas Bruder kommt ebenfalls aus dem Kanton Freiburg. Wir werden also zuerst Haydo und das gesamte Gepäck einladen, auf dem Weg Tanya und Tina abholen und dann alle gemeinsam nach Stansstad weiterfahren.
Zweifel kommen auf
In der Ruhe des Abends kommen die Zweifel auf, die mich seit einigen Tagen im Unterbewusstsein plagen. «20 bis 25 Kilometer pro Tag», «Ich bin noch nie 25 Kilometer am Tag gelaufen – zumindest nicht, dass ich wüsste».
Und es sind nicht die 25 Kilometer an einem Tag die mir ein wenig Angst machen, sondern die Gewissheit, dass es sieben Tage am Stück zwischen 20 und 25 Kilometer sein werden und das im alpinen Gebiet.»
Aufgeben ist keine Option
Eine innere Anspannung überkommt mich, die von meinen Liebsten nicht unbemerkt bleibt. Prompt werde ich darauf angesprochen und erzähle ehrlich von meinen Bedenken und Zweifeln.
«Wenn ihr nicht mehr weiter mögt, dann könnt ihr jederzeit abbrechen», sagt meine Mutter, «es bringt nichts, auf Biegen und Brechen etwas zu erzwingen und etwas zu riskieren, ihr könnt ja dann noch ein paar Tage Ferien machen und euch abholen lassen», fährt sie bestimmt fort. Ich stimme ihr zu. Gleichzeitig denke ich: «Niemals gebe ich auf» und damit war das Thema vom Tisch.
Meine Augen schliessen sich und mit der letzten Ermahnung im Hinterkopf «Nicht verschlafen», tauche ich ein in die unendlichen Tiefen und Weiten meiner Traumwelt.