Seit Grossraubtiere wie Luchs und Wolf in der Schweiz wieder frei leben dürfen, sorgen sie für Konflikte. Dass der Bundesrat nun ihren Schutz schmälern will, wird entsprechend kontrovers diskutiert. Umstritten sind vor allem die geplanten Wildruhezonen.
Der Entwurf für die revidierte Jagdverordnung zeigt die bekannten Positionen der auf Nutzung ausgerichteten Organisationen einerseits und der auf Schutz ausgerichteten Verbände anderseits.
emäss dem Entwurf soll die Zahl der Luchse und Wölfe künftig regional reguliert werden dürfen, sofern sie grosse Schäden verursachen oder eine Gefahr darstellen.
Rückschritt?
Voraussetzung ist jedoch, dass ihr Bestand gross genug und stabil ist. Eingriffe sollen auch möglich werden, wenn Grossraubtiere Jäger und Fischer konkurrenzieren. Pro Natura, WWF und SVS/BirdLife nennen dies einen «fatalen Paradigmenwechsel».
Sie sprechen von «einem Rückschritt ins vorletzte Jahrhundert». Jagd und Fischerei seien Hobbies und dienten nicht mehr der Sicherung der Existenz wie vor rund 100 Jahren, als Wölfe, Bären und Luchse in der Schweiz ausgerottet worden seien.
Partikularinteressen
Der Bauernverband (SBV) hingegen fordert eine ehrliche Haltung: Grossraubtiere könnten in der Schweiz kein artgerechtes Biotop finden. Sie müssten «ausnahmslos und wirksam vergrämt werden».
Der Kantonale Walliser Jägerverband will, dass das Management von Grossraubtieren und Fauna in erster Linie den Kantonen überlassen wird. Und der Schweizerische Fischerei-Verband (SFV) möchte Fische fressende Kormorane intensiver bekämpfen als dies der Entwurf vorsieht.
Wildruhezonen
Zufrieden ist die Schweizerische Jagddirektorenkonferenz. Die Vertreter der Kantone begrüssen die in der revidierten Jagdverordnung vorgesehenen Zonen, in denen das Wild vor Störungen durch Freizeitsportler geschützt werden soll. Zu weit geht ihnen, dass die Festsetzung der Zonen vom Bund gutgeheissen werden muss.
Pro Natura und SVS/Birdlife fordern in diesem Punkt mehr Verbindlichkeit. Nötig seien einheitliche Regeln und ein Zeitplan.
Ablehnend äussert sich dazu der Bauernverband. Wildruhezonen dürften die land- und forstwirtschaftliche Nutzung nicht einschränken. Berg- und Natursportverbände pochen auf Mitsprache, wenn Wildruhezonen ausgeschieden werden.
Würden lokale Bergführer nicht konsultiert, könne es vorkommen, dass seit Generationen begangene Routen geschlossen oder unterbrochen würden, sagte Wolfgang Wörnhard, Geschäftsführer des Schweizer Bergführerverbandes auf Anfrage der sda. Auch durch Wildruhezonen müssten Wege führen.
Verbote nur wo unbedingt nötig
Ausserdem dürften Ruhezonen nicht in Stein gemeisselt werden, da wegen des Klimawandels nicht mehr benutzbare Routen neu angelegt oder anders geführt werden müssten, sagte Wörnhard. Vorrang müsse die Sensibilisierung der Menschen haben, doppelte Thomas Gurtner, Bereichsleiter Umwelt beim Schweizer Alpen-Club, nach.
Zutrittsverbote müssten auf das «nötige Minimum» beschränkt werden. Und nur wenn alle wichtigen Akteure einbezogen würden, liessen sich tragfähige, verhältnismässige und sachgerechte Lösungen für den Wildschutz finden.
Die revidierte Jagdverordnung befand sich bis Freitag in der Anhörung. Nach Angaben des Bundesamtes für Umwelt äusserten sich alle Kantone sowie 80 Organisationen, Verbände und Einzelpersonen dazu. Die neuen Vorschriften treten frühestens Anfang 2012 in Kraft.