Freude am Bauern, gute Ausbildung, keine Angst vor der Arbeit, eine positive Grundeinstellung und ein Vater, der mitanpackt. So sind Stefanie Reist und Jonas Steiner aus dem Emmental ins Leben als selbstständige Bauern gestartet.
Liebe, Glaube und Vollgas: So lässt sich die Haltung von Stefanie Reist (30) und Jonas Steiner (29) wohl am besten umschreiben. Liebe zur Landwirtschaft, zu den Tieren und zu dem, was sie tun. Glaube an die Zukunft und Vollgas beim Einsatz.
Die beiden haben den elterlichen Betrieb anfangs Jahr übernommen und strahlen nur so vor Zuversicht. „Wir haben beide gewusst, dass viel Verantwortung und ebenso viel Arbeit auf uns zukommt, aber wir sind jung, packen gerne an und sind mit einer gesunden Portion Optimismus gesegnet”, sagt die Bäuerin.
Arbeiten auch in Zweitberuf
Der Hof besteht aus 17 Hektaren am Dorfrand von Sumiswald (700 M. ü. M.), die beiden haben 17 Mutterkühe, einige Schafe sowie Futter- und Brotgetreide. Doch sowohl Bäuerin als auch Bauer arbeiten daneben in ihren Berufen: Die gelernte Drogistin in einem KV-Job, der gelernte Bauer und Landmaschinenmechaniker in einem entsprechenden Betrieb.
„Das wird noch ein paar Jahre so gehen”, sieht das Steiner realistisch. Dies umso mehr, als sie gerade am Umbauen sind. Eine wichtige Rolle im Betrieb haben Jonas Eltern inne: „Sie helfen mit und ohne sie sähe unser Arbeitsalltag völlig anders aus”, sagt der Emmentaler Jungbauer. Er hat jedoch nie den Druck der Eltern verspürt, den Hof übernehmen zu müssen. Aber für ihn war immer klar, dass er mal Landwirtschaft betreiben wolle.
Grosses Stück Freiheit
Warum? Er hält einen Moment inne und sagt dann: „Wenn du um fünf Uhr aufstehst, freut sich zuerst der Hund, dass du kommst, dann freut sich das Vieh, dreht sich nach dir um. Der neue Tag beginnt, dir und deinen Nächsten geht es gut. Das sind Augenblicke des Glücks, die mit nichts zu bezahlen sind.”
Für Stefanie Reist beinhaltet das Leben auf dem Bauernhof ein grosses Stück Freiheit: „Das hat nicht nur mit dem Umzug von einer Blockwohnung in ein grosses Bauernhaus zu tun”, sagt sie. „Ich habe nun einen richtigen Garten, kann anpflanzen, was ich will. Ausserdem kann ich auch die Arbeiten auf dem Hof selber einteilen.”
Lebensmittel aus der Region liegen im Trend
Stefanie Reist und Jonas Steiner also setzen auf ihr Engagement und die Direktvermarktung. Sie sind dabei, einen Kundenstamm aufzubauen und die Bäuerin hat Folgendes realisiert: „Natürlich gibt es jene, die immer das Billigste wollen. Aber das Kundensegment, das auf lokale Produkte setzt, wird immer grösser. Vielen Menschen ist es heute nicht mehr egal, wie es den Tieren geht, mit was sie gefüttert werden und welche Folgen die Haltung für die Umwelt hat.”
Diese Menschen seien auch bereit, einen gerechten Preis für die Lebensmittel zu zahlen. Folgerichtig erhalten die Tiere auf dem Steiner-Hof ausschliesslich betriebseigenes Futter. Die Kühe und Kälber haben alle einen Namen. Wenn jemand den Betrieb besichtigen will, ist er jederzeit herzlich willkommen. „Vor Ort kann man den Leuten anhand der Tierhaltung, der Fütterung oder auch der zahlreichen Vorschriften erklären, warum Schweizer Fleisch einen höheren Preis hat.” Oder dass die Ergänzungsleistungen des Bundes nicht ins Ferienbudget, sondern in Massnahmen für das Tierwohl oder die Umwelt und in nachgelagerte Handwerks- und Verarbeitungsbetriebe fliessen.
Viel Goodwill für Familienbetriebe
Was sich allerdings schwer vermitteln lasse, sind Direktzahlungen von 150‘000 oder 200‘000 Franken. „Das versteht niemand, ich übrigens auch nicht”, sagt Steiner, der für eine Obergrenze ist. Aber der Bauer tönt nicht verbittert, dafür hat er eine viel zu positive Grundeinstellung, dafür liebt er seine Arbeit und sein Leben viel zu sehr.
Wirklich kritisch werden er und seine Partnerin während des Gesprächs aber, als es um die Landwirtschaftspolitik geht. Sie erwähnen den Druck auf die Betriebe, immer grösser zu werden: „Dezentrale Besiedlung, dörfliche Strukturen, vielfältige Landwirtschaft, Biodiversität – das geht nur mit kleinen und mittleren Familienbetrieben”, sind sich die zwei einig. Sie haben auch festgestellt, dass der Goodwill für kleinere, überschaubare Familienbetriebe in der Bevölkerung gross ist.
Agrarpolitik stetiger machen
Veränderungen seien zwar normal, sagen sie. „Doch es wäre schön, wenn man sich einmal auf etwas verlassen könnte, wenn die Ziele, Vorschriften und Parameter für uns Bauern nicht ständig von der Politik verändert würden.” Stefanie Reist und Jonas Steiner stehen am Anfang eines neuen Lebensabschnittes und vielleicht war es noch nie so ungewiss wie heute, was auf junge Menschen zukommt.
Keine Angst vor Globalisierung, Gesetzen, Umwälzungen und politischen Fehlentscheiden? „Nein”, sagt die Bäuerin. „Es kann dir im Leben alles Mögliche passieren. Doch die Erfahrung zeigt, dass es immer irgendwie weitergeht. Die Frage ist jeweils nur, was du daraus machst.”