In den Kantonen Zürich und Schaffhausen absolvieren rund 100 Lernende die Forstwartausbildung. Jordi Lienhard ist einer davon. Für seinen Abschluss wird er Experten bald auf einen Waldspaziergang mitnehmen.
Jordi Lienhard ist einer von 37 Forstwartlernenden, die sich im Kanton Zürich und in Schaffhausen in der Abschlussphase ihrer Ausbildungszeit befinden. Er hat im Februar die Holzhauereiprüfung absolviert und wird bald mit Experten einen «Waldspaziergang» durchführen. Während diesem muss er Fragen zu Ökologie und Naturschutz im Wald beantworten.
Lienhard hat in seiner dreijährigen Ausbildung den Wald und dessen Funktionen bei seiner täglichen Arbeit gut kennengelernt. «Am liebsten bin ich in der Holzernte tätig», erklärt der 19-Jährige aus Rheinau ZH. Aber diese Arbeit ist nur ein Teilbereich in der Pflege und Hege der grünen Oase. 29 Prozent der Fläche des Kanton Zürichs ist Wald. Die Fläche ist streng geschützt, und für seine Bewirtschaftung gelten klare Vorschriften. Nur gesunde, artenreiche Wälder sichern den Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten.
Die Kenntnisse der Forstleute rund um die Zusammenhänge im Wald sind gross. Biodiversität ist ihnen wichtig. Sie beachten bei ihrer Arbeit das Gedeihen einer Vielfalt verschiedener Lebewesen, beispielsweise von Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen. Gleichzeitig wissen sie um die Wichtigkeit der Diversität der Waldtypen und -strukturen. Jordi Lienhard lernt auch sogenannte Zeigerpflanzen kennen, die gute Hinweise auf die Bodenbeschaffenheit geben. Er kennt die verschiedenen Pflanzen und Bäume und weiss um die Bedeutung der für die Biodiversität wichtigen Biotopbäume und von Totholz Bescheid.
Tag des Waldes
Am 21. März findet der traditionelle Tag des Waldes unter dem Motto «Biodiversität» statt. Der Tag wurde von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO in den 70ern als Reaktion auf die globale Waldvernichtung ins Leben gerufen.
Von Erfahrenen lernen
Eine dieser Totholz-Oasen liegt seit ein paar Jahren im Wald seines Ausbildungsbtriebs in Marthalen ZH. «Diese Eiche hier ist über 340 Jahre alt», sagt der Auszubildende. In ihrem hohen Alter wurde die Eiche dürr, und sie ist während eines Sturms deshalb umgestürzt. Sie ist nun Tummelplatz von Hunderten Arten von Pilzen, Insekten und Flechten. Zur Förderung der Biodiversität legen die Forstleute auch immer wieder Haufen aus Ästen an und lassen diese vor Ort vermodern. Sie sind für kleine Tiere ein wertvoller Lebensraum.
Das sorgsame Arbeiten im Sinn der Nachhaltigkeit, der Ökologie und der Biodiversität wird den Forstwartlernenden von Anfang an nahegelegt und von ihren langjährigen Forstkollegen wird es vorgelebt. Dank der älteren Kollegen hat Lienhard gelernt, genauer hinzuschauen und die Sprache des Waldes zu verstehen. Er erwähnt eines der Beispiele: «Werden die Holzschläge angezeichnet, wird jeder Baum einzeln betrachtet. Man fragt sich, ist der Baum ein Zukunftsbaum und welche Funktion übernimmt er im Ökosystem auf der Fläche?»
Biodiversität ist wichtig
«Ja, unsere Lernenden erleben in ihrer täglichen Arbeit die facettenreiche Vielfalt des Waldes», erklärt der Ausbildungsverantwortliche der Forstwartlernenden des Kantons Zürichs, Mario Wild. Der heute 50-jährige Fachmann hat selber die Forstwartausbildung absolviert und war viele Jahre als Forstwartvorarbeiter tätig.
«Die Biodiversität ist heute ein wichtiger Bestandteil in der Ausbildung, und ihre Bedeutung nimmt noch zu.» Doch die Waldbiodiversität ist nicht nur im Lehrplan und in den Prüfungsunterlagen der Lernenden enthalten. Sie ist auch ein wichtiges Thema der schweizweiten Waldpolitik. Gemäss Schätzungen des Bundesamtes für Umwelt leben von den 64000 in der Schweiz vorkommenden Arten der Tier- und Pflanzenwelt 40 Prozent in den Wäldern.
Brigitt Hunziker Kempf
Ziel 200 Biotopbäume
Kathrin Brändli kennt den «Waldspaziergang» aus eigener Erfahrung. Sie hat vor fünf Jahren während dieses Prüfungsteils ihr Bestes gegeben. Die ausgebildete Umweltingenieurin hat als Zweitausbildung die Forstwartlehre absolviert. Der Samen für ihre Faszination und ihr Verständnis für den komplexen Lebensraum im Wald wurde in ihrer Ausbildungszeit gesät. Ihren Erfahrungsschatz kann sie heute an ihrer Stelle als wissenschaftliche Mitarbeitende in der Abteilung Wald des Kanton Zürichs gut umsetzen.
Sie ist Verantwortliche für Waldnaturschutz und Neobiotaprojekte. Sie kümmert sich also unter anderem auch um die Ausscheidung von Biotop-Bäumen, wie es die gefallene 340-jährige Eiche einst war und heute als Totholz immer noch ist. «Unser Ziel im Kanton Zürich ist es, jährlich bis zu 200 Biotopbäume vertraglich zu sichern.» Jordi Lienhard wird nach der Prüfung zu Ökologie und Naturschutz im Qualifikationsbereich «Einsatz und Unterhalt von Arbeitsmitteln» und zuletzt auch im Qualifikationsbereich «Berufskenntnisse» geprüft. Im Juli wird ihm sein Diplom ausgehändigt. Sein Ausbildungsrucksack ist nach seiner Ausbildungszeit voll, und er ist sicherlich einer der Menschen, die wissen, wie wichtig die Förderung der Biodiversität ist und weiterhin sein wird.
Brigitt Hunziker Kempf