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Ausnahmezustand in Brüssel

In Brüssel herrschte am Montag Ausnahmezustand. Tausende Bauern aus ganz Europa strömten in die belgische Hauptstadt. Ihre Botschaft war klar. Die Preise für Milch und Fleisch müssen wieder steigen. Teilweise arteten die Proteste aus. Die EU-Kommission kündigte derweil ein Hilfsprogramm an.

Reto Blunier, Bilder: Raphael Bühlmann |

 

 

In Brüssel herrschte am Montag Ausnahmezustand. Tausende Bauern aus ganz Europa strömten in die belgische Hauptstadt. Ihre Botschaft war klar. Die Preise für Milch und Fleisch müssen wieder steigen. Teilweise arteten die Proteste aus. Die EU-Kommission kündigte derweil ein Hilfsprogramm an.

Über 6000 Bauern waren am Montag nach Brüssel gefahren. Sie forderten Massnahmen gegen die sinkenden Milch- und Fleischpreise in Europa. Sie schlugen eine Milch-Mengenkürzung gegen Bonuszahlungen vor.

Kette von Fehlentscheidungen

«Der EU-Milchmarkt ist überschwemmt, die Preise stürzen ab», erklärte Romuald Schaber vom Europäischen Milchbauern-Verband, European Milk Board (EMB). Die Gründe für die tiefen Preise sind mannigfaltig. Einer dieser Gründe ist die Aufhebung der EU-Milchquoten am 1. April. Das Russland-Embargo führte dazu, dass ein wichtiger Absatzmarkt für die Bauern wegfiel. Moskau hatte als Reaktion auf die EU-Sanktionen wegen der Ukraine-Krise den Import vieler Lebensmittel aus der EU beschränkt.

Das Russen-Embargo habe die Situation verschärft, doch die aktuelle Krise sei nicht von Himmel gefallen, betonte Schaber. Vielmehr sei sie die Folge einer ganzen Kette von Fehlentscheidungen. «Wir sind nun hier in Brüssel, um eine Korrektur zu fordern», sagte er.

Marktverantwortungsprogramm

Um die Krise zu entschärfen, schlugen die Bauern genanntes Marktverantwortungsprogramm vor. Dieses soll zu einer Reduktion der Milchproduktion in Krisenzeiten führen. Das Marktprogramm soll sich an einem Marktindex orientieren, der sich aus der Entwicklung von Produktnotierungen, dem Milchpreisen und den Erzeugungskosten zusammensetzt. Ist der Milchmarkt stabil, dann liegt der Index bei 100.

Fällt der Index unter 100, kann der Milchbauern nicht mehr kostendeckend produzieren - das so genannte 3-stufige Marktverantwortungsprogramm wird gestartet. Sinkt der Index um 7,5 Prozent ab, wird eine Frühwarnung ausgesprochen. Sinkt  der Index um 15 Prozent, sollen die Bauern in einer zweiten Phase gegen den Verzicht von Milchproduktion einen Bonus erhalten. Diese Schritte sind freiwillig. Eine obligatorische Kürzung für eine bestimmte Zeit erfolgt, wenn der Index um 25 Prozent absinkt.

Hilfspaket

Am Montag hat Die EU-Kommission ein 500 Millionen schweres Hilfspaket angekündigt. EU-Vize-Kommissionspräsident Jyrki Katainen erklärte, die 500 Millionen Euro seien als Soforthilfe gedacht. Man wolle damit die Verantwortung gegenüber den Bauern ernst nehmen. Katainen sprach vor den EU-Agrarministern, die am Montag zu einem Sondertreffen zusammenkamen.

Konkret will die EU-Kommission Bauern unterstützen, die zurzeit unter einem finanziellen Engpass leiden - etwa in Form von zinsgünstigen Darlehen. Zudem sollen direkte Einkommenshilfen an Landwirte bereits im Mitte Oktober statt Anfang Dezember ausbezahlt werden. Im Weiteren will Brüssel mit dem Geld den Markt stabilisieren und das Funktionieren der Lieferkette sicherstellen.

Milchquoten eine Absage erteilt

Mit Werbekampagnen will Brüssel zudem die Exporte ankurbeln. Brüssel solle «kurzfristig flüssiges Geld zur Verfügung stellen, wo Not am Mann oder Not an der Frau ist», sagte der arg kritisierte deutsche Agrarminister Christian Schmidt vor dem Treffen. Zudem müsse die EU-Kommission eine Exportoffensive starten und «den Markt auf richtige Füsse stellen.»

Der österreichische Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter forderte eine Anhebung des Interventionspreises, bei dem der Staat als Käufer auftritt und damit das Angebot künstlich verknappt, von 20 Cent auf 25 Cent je Kilogramm Rohmilch. Der Vorschlag blieb chancenlos. Auch einer temporären Mengenbegrenzung der Milchproduktion mit Quoten wurde eine Absage erteilt. Anfang April wurde der Markt liberalisiert. Der deutsche Minister Schmidt sprach sich ebenso dagegen aus wie sein französischer Amtskollege Stéphane Le Foll.

Bauern gespalten

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, gingen die rund 6000 Bauern auf die Strasse. Mit Traktoren, Plakaten und Reden machten sie auf ihre Situation aufmerksam. Es gab jedoch zwei Protestzüge. Ein Zug wurde von den Milchbauern unter der Führung des EMB organisiert. Im anderen Zug organisierten sich Mitglieder des Dachverbandes der Landwirte und dem europäischen Dachverband der landwirtschaftlichen Genossenschaften. Da sich die Forderungen der beiden Bauern-Institutionen unterscheiden, marschierten diese getrennt.

Von Exportfördermassnahmen oder zinsgünstigen Darlehen, wie es die EU-Kommission vorschlägt, hält das EMB nichts. Die Vorschläge der EU entsprechen teilweise den Vorstellungen von Copa-Cogeca. Bei beiden Protest-Zügen kam es aber zu Ausschreitungen. Die Polizisten wurden mit Eiern, Kartoffeln, Stroh, Flaschen, Pflastersteinen oder Petarden beworfen. Teilweise wurde versucht, die Absperrungen mit den Traktoren zu durchbrechen. Zudem wurde Stroh und Pneus entzündet.

Auch eine Delegation aus der Schweiz - von BIG-M und Uniterre - nahm an der Demonstration teil. Den Ausschreitungen blieben sie aber bewusst fern.

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