Eine Frau auf einem tonnenschweren Traktor? Eine Frau, die das Zepter über Hof und Stall schwingt? Oder gar eine Frau, die Kühe besamt? Noch vor nicht allzu langer Zeit unvorstellbar! In den letzten Jahren haben Frauen in der Landwirtschaft nicht nur aufgeholt, sondern Bereiche übernommen, die früher als reine Männerdomäne galten.
Frauen bringen frischen Wind
Und das nicht nur, weil die Arbeit auf dem Hof, im Stall und auf dem Feld durch die moderne Technik körperlich leichter geworden ist, sondern auch, weil sich das Bild der Landwirtschaft als männerlastige Branche zunehmend gewandelt hat. Frauen haben frischen Wind und neue Perspektiven in die Landwirtschaft gebracht.
«Als Frau in einem männlich geprägten Umfeld muss man sich schon mehr beweisen.»
Eine dieser Frauen, die mit beiden Beinen fest in der Landwirtschaft verankert ist und sich Anerkennung erarbeitet hat, ist Jana Schegg aus Oberriet. Wenn die 25-Jährige im Rheintal unterwegs ist, um Kühe zu besamen, werden die meisten ihrer Kunden vermutlich nicht bemerkt haben, dass ihre Besamerin seit kurzem einen neuen Nachnamen trägt: Sie ist frisch verheiratet und heisst nun nicht mehr Amhof. Doch im Rheintal, und besonders unter den Bauersleuten, ist das Du selbstverständlich – so muss man sich auch nur den Vornamen merken.
Selbst ist die Frau
Böse Zungen behaupten, die Rheintaler seien etwas stur und nicht immer offen für Neues oder Auswärtige. Doch die junge Frau, die über einen Umweg – und schliesslich durch die Liebe – aus Engelberg OW nach Oberriet auf den Hof der Familie Schegg gekommen ist, kann das nicht bestätigen. Sie hat keine schlechten Erfahrungen gemacht und wurde als Obwaldnerin und Frau in einem Beruf, in dem weibliche Personen nach wie vor die Ausnahme sind, problemlos akzeptiert.
Jana Schegg mit ihrer Lieblingskuh.
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«Als Frau in einem männlich geprägten Umfeld muss man sich schon mehr beweisen. Und die Leute auf dem Land sind manchmal etwas zurückhaltender als in städtischen Gegenden. Aber als die Landwirte merkten, dass ich meinen Beruf beherrsche, war das kein Thema mehr.»
Aus Freude an Tieren
Jana Schegg ist nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen. Doch mit ihrer älteren Schwester und den zwei jüngeren Brüdern wuchs sie in einer Region auf, in der die Landwirtschaft, neben dem alpinen Sport, eine traditionelle Rolle spielt. Ihre Liebe zu Tieren und zur Landwirtschaft hat Jana von ihrem Grossvater geerbt. Er bewirtschaftete einen Bauernhof im Kanton Aargau, wo Jana jede freie Minute mit Helfen verbrachte.
«Eine grosse Auswahl der gängigsten Samen habe ich dabei.»
Auch in der Schule war sie von vielen Bauernkindern umgeben, und so kam für das Mädchen nur ein Beruf mit Tieren infrage. «Eigentlich wollte ich Tierärztin werden. Doch das lange Studium war nichts für mich. Deshalb habe ich mich für die Lehre zur Landwirtin entschieden.»
Reise ins Rheintal
Durch eine Kollegin kam die gelernte Landwirtin nach Heiden AR, wo sie eine Wintersaison als Skilehrerin jobbte. Im Coronajahr 2020 lernte die damals 20-Jährige ihren Partner Michael Schegg kennen und zog bald darauf vom Appenzellerland zu ihm ins Rheintal. Der Hof der Familie Schegg beherbergt heute 35 Milchkühe im Anbindestall – eine bunt gemischte Herde aus Braunvieh, Holstein und Red Holstein – sowie rund 30 Stück Jungvieh aus eigener Aufzucht.
Die 80 Leghennen liefern frische Eier für den Direktverkauf. Zwei Pferde sowie die Hofhunde Elli und Zitta ergänzen den tierischen Bestand. Die etwas mehr als 45 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche werden für den Futter-, Acker- und Gemüsebau genutzt. Im Januar 2023 übernahm Michael Schegg den elterlichen Betrieb, den er nun gemeinsam mit seiner Frau führt.
Stiersamen im Gepäck
Der Arbeitsalltag von Jana Schegg ist alles andere als eintönig. Seit ihrer Ausbildung zur Besamungstechnikerin bei Swissgenetics betreut sie im Vollzeitpensum die Bauern von Oberriet bis Au. In ihrem beschrifteten Geschäftsauto führt sie unter anderem rund 250 verschiedene Stiersamen mit. «Eine grosse Auswahl der gängigsten Samen habe ich dabei. Wenn ein Bauer einen speziellen Stier möchte, sagt er das im Voraus», erklärt Jana.
Jana Schegg ist mit einem Vollzeitpensum für Swissgenetics im Rheintal unterwegs.
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Jeder Samen ist sorgfältig mit allen wichtigen Daten beschriftet, erfasst und über das Tablet abrufbar. Auch im Samenkübel herrscht ein klares System. «Kontrolle ist wichtig, um Verwechslungen zu vermeiden.» Die Besamung selbst dauert nur wenige Minuten. «Es ist keine körperliche Anstrengung, daher können auch Frauen diese Arbeit gut ausführen.» Wichtig sei es, ruhig an das Tier heranzugehen, es gut zu fixieren und zu beruhigen, wenn es unruhig wird. «Ausser ein paar blauen Flecken ist mir noch nie etwas passiert», fügt sie hinzu und lacht.
«In der Regel mache ich morgens zuerst den Stall, bevor ich kurz vor acht den Plan für den Morgen bekomme. Um eins folgt der Plan für den Nachmittag, sodass ich die Touren jeweils planen kann», erklärt Jana. «Meistens bin ich zeitig fertig, sodass ich mittags zu Hause kochen und abends nochmals den Stall machen kann.» Auf die Frage nach ihren Hobbys schmunzelt sie: «Reiten und wandern, wenn ich Zeit finde. Sonst sind Beruf und der Hof meine Hobbys. Ein echtes Highlight ist, wenn neun Monate nach der Besamung ein gesundes Kälbchen mit vielversprechenden Zuchtwerten zur Welt kommt.»