Nach einem halben Jahrhundert erfolgloser Versuche, Verkehrsüberlastungen mit Strassenausbauten zu bekämpfen, brauche es nun ein Umdenken. «Automatisiertes Fahren, Mobilitätsdrehscheiben und die Vernetzung verschiedener Verkehrsträger stellen neue Herausforderungen an die Infrastruktur. Mit dem Ausbau der Autobahnen investieren wir da am falschen Ort», sagte Nationalrätin Barbara Schaffner (GLP/ZH).
Das Referendum gegen das Vorhaben des Bundes eingereicht hatten der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) und die verkehrspolitische Klimaschutzorganisation Umverkehr. Es wird unter anderem von der GLP, den Grünen und der SP sowie weiteren Verbänden unterstützt, die sich zu der Allianz zusammengeschlossen haben.
Ziel mit Spurenausbau verfehlt
Bundesrat und Parlament würden an den betroffenen Regionen vorbeipolitisieren. «Die Städte und Agglomerationen haben unterdessen gemerkt, dass der Autoverkehr die Bevölkerung mit Lärm und Abgasen belastet. Sie bauen den ÖV und die Veloinfrastruktur aus und schaffen verkehrsberuhigte Quartiere», so Nationalrätin Franziska Ryser (Grüne/SG).
Das Ziel des Ausbaus sei, dass es weniger Engpässe und Staus auf den Schweizer Nationalstrassen gebe. Dieses würde mit einem Autobahnausbau auf sechs bis acht Spuren jedoch verfehlt. Die Folge wären mehr Autos und mehr Asphalt, liess das Komitee weiter verlauten. Lebensqualität und Natur würden auf der Strecke bleiben.
Fruchtfolgefläche gehen verloren
«Der zusätzliche Verkehr fliesst zwangsläufig in die umliegenden Städte und Dörfer, was untragbare Folgen für die dort lebenden Menschen hat: eine erhebliche Zunahme der Umweltverschmutzung und viel mehr Lärm – und das, obwohl bereits heute fast eine Million Menschen unter einem zu hohen Lärmpegel leiden», sagte David Raedler, Co-Präsident des VCS.
Ausserdem gehen mit den Autobahn-Projekten laut dem Referendumskomitee grosse Flächen für die Natur und die Landwirtschaft verloren. Grosse Teile davon seien heute wertvolle Fruchtfolgeflächen und Wälder, hiess es weiter. Während der jeweiligen Bauphasen würde der Landverschleiss noch erheblich grösser ausfallen. Gemäss dem Referendumskomitee gehen durch den Ausbau der Autobahnen insgesamt 400'000 m2 Kulturland, Fruchtfolgeflächen und Wald verloren. «Der Ausbau der Autobahnen befeuert zudem die Zersiedelung und Zubetonierung der Schweiz», heisst es weiter.
«Klimakrise» wird laut Allianz verschärft
Hinzu komme, dass mehr Autobahn-Kapazitäten die weitere Zersiedelung fördern würden. Neue Überbauungen auf der grünen Wiese müssten zusätzlich erschlossen werden. Der Autobahn-Ausbau mache so auch mehr Kantons- und Gemeindestrassen nötig. Die «Asphaltierung der Schweiz» werde damit weiter vorangetrieben.
Der geplante Strassenausbau untergrabe zudem die Ziele des Klimaschutzgesetzes und verschärfe somit die «Klimakrise», teilte die Nein-Allianz weiter mit. «Der Autobahnausbau führt zu mehr Verkehr, mehr Lärm und auch zu mehr CO2-Ausstoss. Das schadet dem Klima», sagte Mattea Meyer, Co-Präsidentin der SP.
Die Vorlage habe Auswirkungen auf Jahrzehnte, sagte Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone. Zuerst würden Bauarbeiten zusätzliche Beeinträchtigungen im Alltag der Menschen verursachen, dann folge die Belastung durch noch mehr Autos, noch mehr Lärm und noch mehr Abgase.
Entscheid über 4,9 Milliarden Franken
Die eidgenössischen Räte haben mit dem Ausbauschritt 2023 sechs Projekte beschlossen. Die A1 soll am Genfersee zwischen Le Vengeron GE und Nyon VD auf sechs Spuren ausgebaut werden, zudem sind Erweiterungen der A1 zwischen Bern-Wankdorf und Schönbühl BE sowie zwischen Schönbühl und Kirchberg BE vorgesehen.
Enthalten sind im Paket auch eine dritte Röhre des Rosenbergtunnels bei St. Gallen, eine zweite Röhre des Fäsenstaubtunnels bei Schaffhausen und ein Rheintunnel Birsfelden BL – Kleinhüningen BS. Laut der Botschaft des Bundesrats entscheiden die Stimmberechtigten über Projektkosten von insgesamt 4,9 Milliarden Franken. Die Abstimmung findet am 24. November statt.
Natürlich wären mit dieser Vorlage weniger Flächen betroffen, als es bei der Biodiversitätsinitiative der Fall gewesen wäre. Jedoch ist der Verlust von landwirtschaftlichen Flächen an Autobahnen in meinen Augen tragischer als jener an die Biodiversität. Biodiversitätsförderflächen können immerhin einen gewissen Nutzten für landwirtschaftliche Flächen mit sich bringen: z. B. indem sie Bestäubern und Nützlingen ein Habitat bieten und diese dann auch die umliegenden Kulturen positiv beeinflussen. Wo eine Strasse ist, wächst und lebt nichts mehr, das Land ist komplett versiegelt und verloren. Für Bäuerinnen und Bauern, die diese Flächen Jahrzehnte lang und über Generationen hinweg bewirtschaftet haben, ist dies extrem tragisch. Es geht nicht nur um eine Produktionsgrundlage, sondern auch um eine Beziehung zum Land geprägt durch Generationen.
Für mich zeigt die Wirtschaft mit diesem Vorhaben ein weiteres Mal, dass sie längst nicht mehr als Mittel zum Zweck dient, um das allgemeine Wohlergehen der Bevölkerung zu steigern, sondern dass die Bevölkerung ein Teil ihres Wohlergehens für die Wirtschaft opfern soll. Aber was bringt das? Wir müssen endlich beginnen, in gemeinsame Lösungen zu investieren, welche die Bevölkerung wirklich unterstützen und uns helfen, mit den wachsenden Herausforderungen als Gesellschaft umzugehen.