Der Bundesrat soll bei der Branchenorganisation Milch darauf hinwirken, dass die Milchpreise in den höheren Segmenten für mindestens drei Monate festgelegt werden. Die Produzenten sollten auch künftig frei entscheiden können, ob sie Milch in den tieferen Segmenten zu einem tieferen Preis abgeben wollen. -> Mit Video
Der Nationalrat hat am Dienstag einer entsprechenden Motion der ständerätlichen Wirtschaftskommission «Verlässlichkeit des Standardvertrags der Branchenorganisation Milch» als Zweitrat ohne Gegenstimme (185 Ja, 0 Nein, 1 Enthaltung) zugestimmt. Der Vorstoss wurde damit an den Bundesrat überwiesen. Er fordert im Landwirtschaftsgesetz einen Standardvertrag für den Milchhandel.
Planungssicherheit
Produzenten und Verarbeiter brauchten Planungssicherheit zu Menge und Preis, sagte Kommissionssprecher Marcel Dettling (SVP/SZ). Damit könne die Wertschöpfung gestärkt werden. «Es soll weniger Milch geliefert werden, aber zu einem vernünftigen Preis», so Landwirt Dettling. Heute stiegen viele Milchproduzenten aus dem Geschäft aus, weil die Rechnung nicht mehr aufgehe.
Die Möglichkeit, freiwillig B-Milch zu liefern, bestehe heute gar nicht, fuhr Dettliung fort. «Wenn man Molkereimilch abliefert, erhält man für eine A-Milchmenge einen Richtpreis, der zurzeit bei 71 Rappen liegt, für den Anteil B-Milch einen Preis, der stark schwankt, nämlich zwischen 35 und 45 Rappen; und dann gäbe es noch C-Milch, deren Lieferung eigentlich freiwillig wäre», so Dettling.
Bauern sind vollends ausgeliefert
Und Dettling zeigte den Nationalräten auf, wie der Molkereimilchmarkt funktioniert. C-Milch sei Freimilch. «Daher gibt es gar keine C-Milch mehr, weil der Bauer ja sagen könnte, er melke sie nicht. Jetzt macht man einfach die B-Anteile grösser oder kleiner. Je nachdem, wie man den Milchpreis gestalten will, dehnt man den B-Milchpreis aus», erklärte der Landwirt aus dem Kanton Schwyz. Der Bauer sei gegen diese Spiele nicht geschützt und ihnen vollends ausgeliefert.
Mit der Motion soll die Position der Bauern verbessert werden. «Es geht auch darum, dass vor allem kleinere Bauernbetriebe im Berggebiet sagen können, dass sie auf B-Milch für 35 bis 40 Rappen verzichten und lieber weniger Milch melken möchten», fuhr der Präsident der Kälbermäster fort. Bauern könnten so eine höhere Wertschöpfung realisieren und somit ein höheres Einkommen erzielen. Man produziere besser weniger Milch für einen besseren Preis. «Mit der jetzigen Ausgestaltung ist der Anreiz aber so, dass man, wenn die Preise sinken, besser mehr produziert, damit man Ende Monat wieder gleich viel hat», hebt Dettling hervor.
Bundesrat dagegen
In der Branchenorganisation Milch sind die Produzenten, aber auch die Industrie vertreten. Die meisten Mitglieder sprachen sich in der Vergangenheit gegen längere Fristen für Milchpreise aus. In steigenden Märkten würden die Preise länger auf tieferem Niveau verharren, argumentierten sie.
Landwirtschaftsminister Guy Parmelin zeigte sich unzufrieden mit der grossen Uneinigkeit in der Branche. Er riet aber davon ab, diese zu mehr Regeln zu zwingen. Es sei die Verantwortung der Branchenorganisation Milch, den Standardvertrag bei Bedarf anzupassen.
Keine Mengenkürzung
Der Preis für A- und B-Milch muss im Vertrag mit Menge und Preis in Kilogramm fixiert sein, mindestens für drei Monate. Heute kann dies monatlich wechseln. Der letzte Satz der Motion enthält Brisanz. «Produzenten, die keine billige B- und C-Milch liefern wollen, dürfen nicht mit Mengenkürzungen im Bereich der A-Milch und der B-Milch bestraft werden.» Milchproduzenten sollen also selbst entscheiden können, ob sie B-Milch liefern wollen. Heute ist laut Reglement der Branchenorganisation Milch (BOM) nur die Lieferung der C-Milch freiwillig.
Das bedeutet, dass in Zukunft die Lieferung von B-Milch für die Milchproduzenten freiwillig werden soll. Heute müssen die Milchbauern hohe Anteile an B-Milch für rund 40 Rappen pro Kilogramm liefern, wenn sie A-Milch für 55 bis 60 Rappen pro Kilogramm liefern wollen. Das sorgt in der ganzen Schweiz verbreitet für Molkereimilchpreise, die weit von der Kostendeckung entfernt sind.
Die Milch in den Segmenten A bis C wird unterschiedlich hoch bezahlt. Die sogenannte A-Milch ergibt im Vergleich eine gute Wertschöpfung. Die B- und C-Milch, die etwa zu Butter oder Milchpulver verarbeitet und exportiert wird, deckt dagegen nicht einmal die Fremdkosten.
Hinter der Motion steht Bauernverbandspräsident und Nationalrat Markus Ritter (CVP/SG). Er forderte bereits beim Milchgipfel 2016 die Freiwilligkeit. Auch Nationalrat Martin Haab (SVP, ZH) steht hinter der Motion. «Wenn der Bauer ein Unternehmer sein soll, und das muss er auch, dann muss es ihm möglich sein, im Voraus entscheiden zu können, ob er billige B-Milch liefern will oder nicht», sagte er Anfang Oktober zu «Schweizer Bauer». Wenn der Preis akzeptabel sei, werde die Milch auch gemolken.
BOM gegen Motion
Wenig Freude zeigte die Industrie und die Branchenorganisation Milch (BOM). Der BOM-Präsident, der auch als Ständerat amtet, sagte in seinem Rat: «Eher problematisch finde ich die Forderung, auch die B-Milch als freiwillig zu erklären.» Die Branche habe mit der Segmentierung ein funktionierendes System erschaffen. «Wenn jetzt auch die Lieferung von B-Milch freiwillig sein soll, würde ein Kernelement dieser Lösung infrage gestellt», hielt Peter Hegglin (CVP/ZG) fest.
Stefan Kohler, Geschäftsführer der Branchenorganisation Milch (BOM), wurde im September in der NZZ noch deutlicher zitiert: Die stärkere Preisfixierung sei nicht im Interesse der Milchbauern. Sie führe dazu, dass die marktmächtigen Molkereien tiefere Preise veranschlagten, um sich gegen Marktschwankungen abzusichern.
Motion im Wortlaut:
Der Milchkaufvertrag muss sicherstellen, dass der Milchlieferant vor Ablieferung weiss, zu welchen Preisen er Milch liefert, sodass er unternehmerisch planen kann. An der Segmentierung in A-, B- und C-Milch muss festgehalten werden. Dass es keinen C-Preis mehr gibt und dafür überschüssige Milch über den B-Kanal verkauft wird, darf nicht erlaubt sein. Es muss in jedem Fall ein separater Preis für B- und C-Milch festgelegt werden. Der Preis für A- und B-Milch muss im Vertrag mit Menge und Preis in Kilogramm fixiert sein, mindestens für drei Monate. Die Freiwilligkeit der Lieferung von C-Milch muss dem Milchlieferanten gewährleistet sein. Deshalb ist auch vertraglich zu vereinbaren, welche Mengen zu welchem B-Preis abgerechnet werden können. Produzenten, die keine billige B- und C-Milch liefern wollen, dürfen nicht mit Mengenkürzungen im Bereich der A-Milch und der B-Milch bestraft werden.



