Junglandwirt Sebastian Hagenbuch vertieft sein landwirtschaftliches Wissen mittels eines Agronomiestudium in Zollikofen. Die Semesterferien verbachte er während sechs Wochen auf einer Alp. Er schildert in drei Teilen seine Erlebnisse.
Sieben Wochen ist es her, seit ich das Unterland schwer bepackt und doch irgendwie leicht in Richtung Alp verlassen habe. Schwer bepackt, weil Arbeitskleidung für jedes Wetter und jede Temperatur sein Gewicht hat, und leicht, weil ich mich auf ein kleines Abenteuer freute. Die Alp - bisher nur bekannt von Wanderungen und Sagen - sollte nun für sechs Wochen meine Heimat sein. Soviel vorweg: Punkto Abenteuer bin ich nicht enttäuscht worden.
Für Bestaunen und Akklimatisieren war keine Zeit
Am Bahnhof Oey-Diemtigen holte mich Nöld ab (ohne Subaru) und fragte mich 10 Minuten später bei sich zu Hause, ob ich mit einem Bergmäher umzugehen wisse. Ich bejahte mutig, bekam einen Balkenmäher mit Dreifach-Doppelrädern in die Hand gedrückt, ein ca. 1,5 ha grosses Stück Land (Topographie eignet sich gut für eine schwarze Skipiste) gezeigt und konnte vier Stunden lang die Fitness von mir und dem Mäher testen - beides hielt durch. Dann ging es ab Richtung Alp.
Nach der letzten Strasse erwartete uns eine halbe Stunde Fussmarsch, bis wir ein kleines Bödeli im ansonsten durchwegs steilen Gelände erreichten - die "Obere Drune". Gelegen in einem Kessel in der Niesenkette, präsentierte sich die Alp einladend im Abendlicht. Für grosses Bestaunen und Akklimatisieren war keine Zeit: Kühe melken, Kälber tränken, Ziegen stallen und von Hand melken, Galtkühe versorgen, Grippeli verarzten, Schweine füttern, Pferde zügeln. Zum z'Nacht um 22 Uhr eine Beutelsuppe, ehe ich mit dem einem Neuanfang innewohnenden merkwürdigen Gefühl zu Bette ging.
Tage vollgepackt
Die ersten 2 Wochen hatte ich keine Zeit, mich gross zu fragen, wo ich eigentlich gelandet bin. Die Tage waren vollgepackt.
Morgen: Stall, alle Tiere versorgen (ein Stall ist auf 2'100 m.ü.M. gelegen), käsen.
Ab Mittag: Ab ins Tal, zu Fuss und mit dem Auto, und dort mit Transporter, Balkenmäher, Rechen und Gabel auf 2 Heimetli (Strukturwandel im Diemtigtal? - Fehlanzeige) heuen.
Das Ganze dauerte dann jeweils so bis 18 Uhr, dann Abmarsch auf die Alp, "chüjere", Beutelsuppe oder andere Köstlichkeit, Sonnenuntergang gefolgt von Sternen und Tiefschlaf.
Diemtigtaler wird man nicht so einfach
Als wir das Heu unter Dach und Fach hatte, fiel für mich das Pendeln weg. Nöld hatte im Tal zu werkeln, und ich konnte oben zum Rechten schauen, was mir durchaus passte: Schliesslich wollte ich nicht auf die Alp, um täglich ins Tal abzusteigen. Abends fanden wir auch vermehrt Zeit für einen Schwatz, und ich bekam Einblick in eine mir bislang unbekannte Welt. Eine Welt, geprägt vom Älplerleben, von Kuhkämpfen (Nöld hält Eringer-Kühe) und Schwingfesten.
Die urchigen Charakterköpfe, von den Bergen geformt, ihre Art und ihre Geschichten gefielen mir. Für mich als Unterländer hatten diese Diemtigtaler oft etwas Exotisches an sich. Und doch fühlte ich mich auch fremd und wusste, dass ich auf die Dauer nicht zu einem Leben in diesem Tal taugen würde. Ein Studienkolleg erklärte mir, dass seine Grossmutter vor gut 50 Jahren hierherkam, und ihre Nachkommen nenne man heute noch "die Zugezogenen". Diemtigtaler wird man wohl nicht ganz so einfach.