Junglandwirt Sebastian Hagenbuch vertieft sein landwirtschaftliches Wissen mittels eines Agronomiestudium in Zollikofen. Nach bestandener Lehre mussten die Latzhosen und Arbeitshandschuhe dem (Sennen-)Hemd und Laptop weichen.
Die HAFL bildet Agronominnen und Agronomen auf Ebene Fachhochschule aus. Lauter mehr oder weniger junge Menschen. Menschen, die sich freiwillig für das Studium angemeldet haben und in der Regel pünktlich und brav zu den Vorlesungen erscheinen und ihre Studiengebühren in der gleichen Manier überweisen. Menschen, die das 18. Lebensjahr abgeschlossen und mindestens ein Jahr lang gearbeitet haben. Also keine gänzlich ahnungslosen Dreikäsehochs mehr.
Bevormundung durch Präsenzpflicht
Eine der grössten Umstellungen von der Schule zum Studium ist das erhöhte Mass an geforderter Selbstständigkeit. Die Fächer müssen selber gewählt werden. Man muss sich für Themen der Projektarbeiten entscheiden, die einen interessieren, sich festlegen, mit welchen Leuten man in Gruppenarbeiten zusammenarbeiten will. Will ich einen Minor machen, welche Vertiefung und welche Wahlfächer interessieren mich? Man muss sich entscheiden, Prioritäten setzen. So als Vorbereitung auf das Leben vermutlich nicht das dümmste aller Lernziele.
Nun gibt es aber Anlässe, welche mit einer Präsenzpflicht belegt worden sind. Das können einzelne Vorlesungen sein, wo ein mehr oder weniger renommierter Referent bereit ist, seine Erfahrungen mit uns Studierenden zu teilen. Das können aber auch Module sein, bei welchen über das Semester hinweg eine Mindest-Anwesenheit gefordert wird - ohne die Anwesenheit gibt's dann ein bestimmtes Zertifikat nicht.
Qualität statt Zwang
Ersteres leuchtet auf den ersten Blick ein: Wäre ja schon etwas peinlich, wenn Markus Ritter ein Referat zur Agrarpolitik hält, und nur eine Handvoll verirrte Studierende kümmert's. Dennoch: Zwang bringt nichts. Wenn eine Veranstaltung gut und interessant ist (ein Referat von Ritter würde zweifellos unter diesen Begriff fallen), kann man davon ausgehen, dass ein grosser Teil der 100 Studierenden dies ebenfalls so sieht. Zudem kämen dadurch nur ernsthaft Interessierte an die Veranstaltung und die Zahl jener, welche zu spät kommen, zuvorderst Platz nehmen müssen (die Bänke füllen sich an der HAFL wie in der Kirche, nämlich von hinten her) und dort mehr oder weniger dezent schlafen oder in den Laptop starren nimmt ab.
Alarmglocken läuten rasch
Wenn ganze Module (aufgrund der Zertifizierung oder aus anderen Gründen) mit Präsenzpflicht belegt sind, läuten bei mir die Alarmglocken. Bisher war Präsenzpflicht ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Unterricht zu wenig Argumente liefert, um ihn freiwillig zu besuchen. Zu Deutsch: Es war langweilig. Was könnten die Verantwortlichen in so einem Falle tun? Den Unterricht verändern, das Ganze überdenken, Feedbacks und Verbesserungsvorschläge einholen? Nein, es gibt eine viel einfachere Lösung: Präsenzpflicht einführen. Die Leute zu ihrem Glück zwingen.
Auch bei diversen Vereinigungen grassiert diese Unart - Anwesenheit für alle Mitglieder obligatorisch. Auf Kommando gesellig sein und für gute Stimmung sorgen, vorwärts Marsch. Bei einem wirklich guten Programm könnte diese Klausel wohl mancherorts ersatzlos gestrichen werden. Das ist meiner Meinung nach auch beim Unterricht so. Die Leute zu ihrem Glück zwingen hat noch selten Fruchtbares zutage gebracht...