Bei Protesten gegen den Bau des Nicaragua-Kanals haben sich Demonstranten und Sicherheitskräfte schwere Auseinandersetzungen geliefert. Mindestens 21 Menschen seien bei den Krawallen in der Provinz Río San Juan verletzt worden, darunter 15 Beamte, teilte die Polizei am Mittwoch mit.
Berichte von Aktivisten, nach denen vier Menschen getötet wurden, wies Polizeichefin Aminta Granera zurück: «Niemand ist ums Leben gekommen.» Hunderte Bauern demonstrierten seit Dienstag gegen das grösste Bauprojekt in Lateinamerika. Dabei kam es zu Zusammenstössen mit der Polizei, die laut den Aktivisten Tränengas einsetzte.
Fernstrasse blockiert
Nach Schilderung der Polizei steckten die Demonstranten eine Polizeiwache in Brand und griffen Sicherheitskräfte mit Schusswaffen und Macheten an. Die Beamten feuerten daraufhin Tränengas und Gummigeschosse in die Menge. 33 Menschen wurden festgenommen.
Aus Protest gegen den geplanten Bau des Nicaragua-Kanals hatten rund 300 Demonstranten tagelang nahe der Ortschaft El Tule im Süden des mittelamerikanischen Landes eine Fernstrasse blockiert. Als sie damit drohten, einen Tanklastzug in Brand zu stecken, habe die Polizei die Strasse geräumt, sagte Granera.
Aufruf zur Mässigung
Nicaraguas Kardinal Leopoldo José Brenes rief beide Seiten zur Mässigung auf. «Gewalt schafft nur noch mehr Gewalt», sagte er in seiner Weihnachtspredigt, wie die Zeitung «La Prensa» berichtete. Managuas Weihbischof Silvio José Báez hingegen ergriff Partei für die Demonstranten. «Schluss mit der Unterdrückung der Bauern und Freiheit für die Festgenommenen», schrieb er auf Twitter.
Die Regierung verspricht sich von dem Bau der Wasserstrasse zwischen Atlantik und Pazifik einen wirtschaftlichen Aufschwung für das zweitärmste Land Lateinamerikas. Anwohner befürchten hingegen Enteignungen, Naturschützer warnen vor Umweltschäden. Die Studien zur technischen Machbarkeit, zur Umweltbelastung und zu den finanziellen Aspekten des Grossprojekts sind zum grossen Teil nicht veröffentlicht worden. Es wird damit gerechnet, dass 30'000 Bauern und Ureinwohner umgesiedelt werden müssen.
Grosse Hoffnungen
Am Montag war der Startschuss für den Nicaragua-Kanal gefallen. Die chinesische Betreibergesellschaft HKND (Hong Kong Nicaragua Development) will die 278 Kilometer lange Verbindung zwischen dem Pazifischen Ozean und der Karibik mit Hilfe von 50'000 Arbeitern einrichten. Der Kanal startet an der Brito-Mündung an der pazifischen Seite Mittelamerikas, führt über den Nicaraguasee und soll die Karibik an der Punta-Gorda-Mündung erreichen.
Der Kanal soll 30 Meter tief sein und Schiffen bis zu einem Gewicht von 400'000 Tonnen Raum bieten. Für den Bau des Kanals sind 50 Milliarden Dollar eingeplant. Bei der Fertigstellung würde der Nicaragua-Kanal dem Panama-Kanal weiter südlich Konkurrenz machen, der seit einem Jahrhundert eine Abkürzung quer durch den südamerikanischen Teilkontinent bietet.