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Bauern müssen Fleischverkauf stoppen

Im Kanton St. Gallen ist in einer breit angelegten Untersuchung das Vorkommen der problematischen Chemikalie PFAS abgeklärt worden. Entdeckt wurden zahlreiche belastete Flächen. Als erste Massnahme wurde bei fünf Landwirtschaftsbetrieben der Verkauf von Fleisch gestoppt. Der Kanton fordert einen nationalen Aktionsplan.

PFAS sind schwer abbaubare Chemikalien, die über Jahrzehnte industriell genutzt wurden, zum Beispiel in wasserabweisenden Regenjacken, teflonbeschichteten Bratpfannen oder in Löschschaum. Sie können in unterschiedlich hohen Konzentrationen in der Nahrungskette sowie im Menschen nachgewiesen werden.

Klärschlamm

Die St. Galler Behörden haben nach der Entdeckung von mit PFAS-belasteten Böden auf der Eggersrieter-Höhe im Herbst 2021 den ganzen Kanton untersucht. In der Gegend zwischen der Kantonshauptstadt und dem Bodensee wurden weitere kontaminierte Flächen gefunden: «Hotspots» befinden sich in den Gemeinden Mörschwil, Eggersriet, Untereggen, Goldach, Altenrhein oder St. Margrethen.

Dort wurden im Fleisch von Kühen und Rindern wie auch im Boden oder im Quellwasser erhöhte oder zu hohe Werte gemessen. Auch Milchproben wiesen erhöhte Werte auf. Als Grund für die Belastung der Böden wird der Austrag von Klärschlamm aus Abwasserreinigungsanlagen vermutet, der mit PFAS belastet war. Seit 2006 wird kein Klärschlamm mehr als Dünger verwendet.

Das sind PFAS

PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) sind schwer abbaubare Chemikalien. Sie werden seit Jahrzehnten industriell genutzt, zum Beispiel in wasserabweisenden Regenjacken, teflonbeschichteten Bratpfannen oder Löschschaum. Diese Chemikalien gelangen in die Umwelt und können in der Nahrungskette sowie im Menschen nachgewiesen werden.

Nach heutigem Wissensstand sind für einige PFAS gesundheitsschädigende Wirkungen bekannt. Bei vielen PFAS bestehen noch Kenntnislücken. Nach der jüngsten Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit besteht ein Zusammenhang zwischen den PFAS-Gehalten im Blut und einer verminderten Konzentration von Antikörpern nach einer Impfung und damit deren verringerter Wirksamkeit. Darüber hinaus wird auf weitere mögliche negative gesundheitliche Auswirkungen von hohen PFAS-Gehalten im Blut hingewiesen, beispielsweise auf die Leber, die Nieren oder auf das Geburtsgewicht. Aufgrund ihrer Langlebigkeit, der weiten Verbreitung und der Anreicherung über die Nahrungskette stellt diese Stoffgruppe weltweit eine grosse Herausforderung dar. Quelle: Kanton St. Gallen

-> Mehr Infos zu PFAS sowie die Auswirkungen auf Mensch und Landwirtschaftsbetriebe

Langfristige Folgen

Es sei ein schwieriges und umfassendes Thema, sagte der St. Galler Volkswirtschaftsdirektor Beat Tinner (FDP) am Mittwoch vor den Medien. Wichtig sei, dass nun erste Informationen erfolgten. Man müsse aber akzeptieren, dass die Sanierungen Jahrzehnte dauern werden.

PFAS verursache keine akute Gesundheitsgefährdung, erklärte Bruno Damann (Mitte), Vorsteher des Gesundheitsdepartements. Das Problem sei die langfristige Wirkung. Dort gebe es aber grosse Kenntnislücken. Studien zeigten eine mögliche Reduktion von Antikörpern oder Auswirkungen auf Leber, Nieren oder das Geburtsgewicht.

Zu hohe Werte im Schlachtvieh

Unmittelbare Folgen hat die Untersuchung für verschiedene Landwirte. Betroffen sind bisher fünf Betriebe. Sie dürfen lokale Quellen nicht mehr nutzen, sondern nur noch das Trinkwasser der Gemeinden. Weil im Schlachtvieh zu hohe Werte gefunden wurden, können sie vorläufig keine Tiere mehr verwerten.

Seit 2024 existieren für bestimmte Lebensmittel in Bezug auf die PFAS-Belastung Vorgaben. Jedoch gibt es nicht für alle Lebensmittel solche Höchstwerte. Für Milch existieren bisher noch keine. Wenn möglich sollen die Tiere nicht mehr dort weiden, wo PFAS entdeckt wurde, sagt der Kanton St. Gallen. Ebenfalls untersagt sind Bodenverschiebungen, etwa für Bauprojekte. 

Der Kanton empfiehlt den betroffenen Landwirtschaftsbetrieben, für die Tränke der Tiere und für die Produktion von Lebensmitteln das Trinkwasser der Gemeinde zu nutzen. Wenn möglich, sollen die Tiere auf nicht belasteten Flächen weiden.

Futter von anderen Betrieben

Die Landwirtschaftsbetriebe bekamen bereits Besuch von den Behörden. Es gehe nun darum, Lösungen zu finden, vieles müsse aber zuerst ausprobiert werden, hiess es an der Medienorientierung. Eine Möglichkeit ist es, Futter von nicht kontaminierten Böden zuzukaufen. Allenfalls muss auch die Produktion umgestellt werden. Ob es aber in Äpfeln von Obstkulturen weniger PFAS gibt, muss erst noch überprüft werden.

Mit den fünf betroffenen Betrieben habe man individuelle Gespräche geführt und mögliche Alternativen wie Obstanbau thematisiert. Zwei der fünf Betriebe wollten die Verfügung des Kantons abwarten, bevor sie die Fütterung und Tränke der Tiere anpassen werden, sagte Volkswirtschaftsdirektor Tinner.

Der Kanton ist mit Agroscope, der landwirtschaftlichen Forschungsstelle des Bundes, in Kontakt. «Da schweizweit weitere Landwirtschaftsbetriebe von PFAS-Belastungen betroffen sein werden, soll Agroscope untersuchen, ob alternative Produktionsmodelle möglich sind», so der Kanton.

Bauern erhalten Überbrückungskredite

Die betroffenen Landwirte erhalten vom Kanton in einem ersten Schritt Überbrückungskredite. Grundsätzlich möglich seien später auch A-fonds-perdu-Zahlungen, wie während der Covid-19-Pandemie, sagte Tinner. «Die finanzielle Unterstützung wird aber nicht über lange Zeit möglich sein.»

Für betroffenen Bauern sei das Überschreiten des PFAS-Höchstwerts ein grosses Problem, sagt der Schweizer Bauernverband. Die Landwirte hätten nichts falsch gemacht. «Aus diesem Grund ist es essenziell, dass die Behörden einerseits die Ursachen suchen und andererseits die Landwirtschaftsbetriebe für die finanziellen Verluste entschädigen», sagt Sprecherin Sandra Helfenstein zu 20min.ch .

Diese Massnahmen werden eingeführt:

  • Generell gilt: Lebensmittel mit einer PFAS-Belastung über dem geltenden Höchstwert dürfen nicht mehr in den Verkauf kommen. 
  • Der Kanton verfügt, dass die betroffenen Betriebe sicherstellen müssen, dass die PFAS-Höchstwerte im Fleisch ihrer Tiere nicht überschritten werden. Werden Höchstwerte überschritten, darf das Fleisch nicht für die menschliche Ernährung verwendet werden. Der Kanton wird die Einhaltung mit Inspektionen vor Ort und Laboranalysen überprüfen. Das Fleisch von Tieren, die vor dem 1. August 2024 bereits bei den Betrieben waren, dürfen gemäss Bundesregelung noch verwertet werden.
  • Der Kanton verfügt, dass die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe auf belasteten Böden keine Bodenverschiebungen vornehmen dürfen und kein Aushub aus dem Gebiet entfernt werden darf (ausser mit einer Bewilligung des Kantons).

Empfehlung:

Der Kanton empfiehlt den betroffenen Landwirtschaftsbetrieben, für die Tränke der Tiere und für die Produktion von Lebensmitteln das Trinkwasser der Gemeinde zu nutzen. Wenn möglich, sollen die Tiere auf nicht belasteten Flächen weiden.

Kanton will Beprobung ausweiten

Es sei «sonnenklar», dass mit PFAS belastete Böden kein Problem seien, das allein den Kanton St. Gallen betreffe, erklärte Damann am Schluss der Medienkonferenz. Notwendig sei nun ein schweizweit einheitliches Vorgehen – nicht unterschiedliche kantonale Regelungen. Es sei «absolut zwingend», dass es bald einen Aktionsplan des Bundes gebe. Die Regierung fordert daher klare Höchstwerte für alle Lebensmittel, insbesondere für Milch und Milchprodukte, um die Gesundheit der Konsumenten zu schützen.

Der Kanton will die Beprobung ausweiten. «Es hat sich gezeigt, dass erhöhte Werte im Fleisch oder der Milch mit erhöhten Werten im Boden und im Wasser einhergehen können», schreibt die Verwaltung. Der Kanton wird deshalb basierend auf den gemachten Erfahrungen ein PFAS-Beprobungskonzept lancieren. Dies sei unter anderem wichtig, um den betroffenen Landwirtschaftsbetrieben genaue Angaben machen zu können, welche Flächen unbelastet sind und weiterhin für die Lebensmittelproduktion genutzt werden können.

Kommentare (5)

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  • jakobli | 29.08.2024
    für die Betroffenen ein kleiner Trost, aber ich habe bereits vor 40 Jahren davor gewarnt, Klärschlamm einzusetzen, da damals noch gar nicht alle Stoffe bekannt waren. Demzufolge wurde von unserer neugebauten ARA nie Klärschlamm in der Landwirtschaft eingesetzt. Damals war das billiger Dünger und somit ein Einsatz verlockend.....
  • asdf | 29.08.2024
    ChatGPT meint dazu:

    Möglichkeiten und Sinnhaftigkeit einer Klage gegen den Kanton:

    Rechtsgrundlage prüfen: Eine Klage gegen den Kanton könnte auf Schadenersatzansprüche gestützt werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Kanton durch fehlerhafte Handlungen oder Unterlassungen (z. B. unzureichende Überwachung der Klärschlammverwendung) zur PFAS-Belastung beigetragen hat. Es wäre jedoch entscheidend, rechtliche Beratung einzuholen, um die Erfolgsaussichten zu bewerten.

    Sinnhaftigkeit: Eine Klage könnte Sinn machen, um Entschädigungen für die entstandenen finanziellen Verluste durch den Verkaufsstopp zu erhalten. Der Kanton hat bereits Überbrückungskredite angeboten, was darauf hinweist, dass es eine Anerkennung der Belastung und des entstandenen Schadens gibt.

    Alternativen zur Klage: Der Artikel erwähnt auch, dass der Kanton individuelle Gespräche mit den betroffenen Landwirten führt, um alternative Lösungen wie Produktionsumstellungen oder die Nutzung von unbelastetem Futter zu prüfen. Diese Schritte könnten möglicherweise schneller und mit weniger rechtlichen Hürden zu einer Kompensation oder Anpassung führen.

    Eine Klage sollte gut überlegt und durch rechtliche Beratung abgesichert sein, insbesondere da PFAS-Belastungen ein komplexes, landesweites Problem darstellen.
    • Biopuur | 29.08.2024
      Als Beispiele könnte man hier Mitholz oder Kölliken anfügen. Für Altlasten bleibt immer der Entsorger verantwortlich. Meiner Meinung nach müssten jetzt der kantonale und Schweizerische Bauernverband aktiv werden, um solche Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Des Weiteren hoffe ich, dass mit der Überbringung der Nachricht auch gleich die notwendige Care-Arbeit eingesetzt hat. Ich jedenfalls wünsche den betroffenen Familien viel Kraft, um diese schwierigen Zeiten zu überstehen!
  • Biopuur | 28.08.2024
    Aha, man gewährt also rückzahlbare Überbrückungskredite. Ist wohl der Versuch des Kantons, sich aus der Affäre rauszuziehen. Dass der Klärschlamm PFAS verseucht war und trotzdem in der Landwirtschaft eingesetzt wurde, ist in erster Linie ein Versäumnis des Kantons. meiner Meinung nach will man die Verantwortung möglichst weit von sich weg schieben, weil sonst Schadenersatzzahlungen fällig würden.
  • Ädu | 28.08.2024
    Ob kurz oder lang ist wohl die ganze Schweiz vergiftet…..
    Die Lebensmittel Import Industrie wirds freuen…..den aus dem Ausland ist alles viel besser….
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