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«Bauern sollten Top-Priorität haben»

Der Schweizer Insektenforscher und Agrarexperte Hans Rudolf Herren wird mit dem «alternativen Nobelpreis» ausgezeichnet. Nach ihm sollte die Politik der nachhaltigen Landwirtschaft viel mehr Bedeutung zumessen.

Daniel Salzmann |

 

 

Der Schweizer Insektenforscher und Agrarexperte Hans Rudolf Herren wird mit dem «alternativen Nobelpreis» ausgezeichnet. Nach ihm sollte die Politik der nachhaltigen Landwirtschaft viel mehr Bedeutung zumessen.

«Schweizer Bauer»: Sie haben in Kalifornien einen Rebberg. Wie kam es dazu?
Hans Rudolf Herren: Meine Frau und ich kauften uns ausserhalb der Stadt Davis (USA) ein Grundstück von rund sechs Hektaren. Darauf bauten wir ein Haus und bepflanzten einen Teil mit Reben. Von der Landwirtschaftsschule in Châteauneuf VS her verstand ich schon etwas vom Rebbau. Aber eine Nachbarsfamilie und ihre mexikanischen Angestellten schauen zum Bio-Rebberg. Ganz gute Leute sind das, die dort eigentlich die ganze Arbeit machen. Ich habe einfach Freude, im kleinen Rahmen auch selbst etwas Landwirtschaft zu betrieben. Bei der Ernte war ich heuer dabei, ebenso werde ich beim Schneiden der Reben im Winter da sein.

Sie wuchsen in Conthey VS auf einem Bauernhof auf. Wenn Sie Ihre Erinnerungen mit dem vergleichen, was Sie heute sehen –  was fällt Ihnen ein?
Das ist eigentlich eine sehr traurige Entwicklung. Mein Vater hat im Unterwallis ein Sumpfgebiet gerodet und entwässert (heute würde man das wohl auch nicht mehr machen). Eine fantastische Landwirtschaftsebene war das dort, und heute stehen dort Autobahnen, Raffinerien, Garagen und Villen. Und dies auf dem besten Landwirtschaftsland in der Talebene. Der gleiche Anblick bietet sich in fast allen Tälern der Schweiz, und weltweit rund um die wachsenden Grossstädte. Das beste Landwirtschaftsland wird verbaut. Dem müssen wir unbedingt entgegentreten.

Wo muss man beim Kulturlandverlust ansetzen?
Man muss erstens einmal in die Höhe bauen. Die Vorschriften, die dies behindern, sind ja unglaublich. Und beim Bauen muss man  die Hügel hinaufgehen, dort ist es ja eigentlich auch schöner zu wohnen.

Aber das Bauen ist am Hang eben teurer...
Okay. Die Landwirtschaft muss aber auch irgendwo sein können. Sie können wohl eine Wohnung haben, einen Arbeitsplatz – wenn Sie nichts zu essen haben, nützt dies alles nichts. Das Essen kommt zuerst. Deshalb sollten die Landwirtschaft und die Bauern die Nummer-1-Priorität in jedem Land sein – nicht die letzte, wie sie es heute ist. Das ist das Problem, es heisst: «Ah ja, die Bauern sind auch noch da, was können wir mit ihnen machen?» Der Landwirt sollte in der Gesellschaft am höchsten stehen, nicht Banker und Anwälte.

Die Prioritäten sind falsch?
Genau. Unsere Gesellschaft hat den Sinn verloren, zu sagen, was wichtig und was weniger wichtig ist. Wenn es heisst, das Essen können wir im Ausland einkaufen, dann frage ich: Wie lange? Es braucht nur irgendeine Krise, dann sagen die: Nein, wir exportieren nicht mehr. In dieser Hinsicht haben die Politiker bisher weltweit total versagt.

Gibt es Staaten, die für Sie auf dem richtigen Weg sind?
Ich wüsste nicht, in welchem Land systematisch  eine nachhaltige Landwirtschaft gefördert wird. Nein, ich sehe immer wieder, wie man überlegt, aus dem Restland, das wir noch haben, noch etwas mehr herauszuholen, immer mit viel Input: Dünger, Herbizide usw. Man schaut nicht, was ist die lokale Nachfrage, und baut dann vielfältig an, um diese Nachfrage lokal zu befriedigen. Schauen wir nur die europäischen Futtermittelimporte aus Lateinamerika an. Mit den riesigen Soja-Mengen werden hier Schweine, Hühner und Kühe gefüttert, und wohin geht der Mist? Er bleibt hier. Und in Lateinamerika fehlt er. Das geht doch nicht.

Warum wird es so gemacht?
Die Preise für Nahrungsmittel reflektieren nicht die wahren Kosten, für den Bauern selbst, für sein Einkommen und vor allem nicht für alle weiteren Einflüsse, etwa auf die Umwelt. Hätten wir wahre Preise, würde sich dieses System sofort ausbalancieren. Denn nachhaltige Landwirtschaftsprodukte – sie müssen nicht zwingend das Label «Bio» tragen – wären billiger als solche aus konventioneller Produktion. Bauern bräuchten dann auch weniger staatliche Zuschüsse, die Gesundheitskosten lägen tiefer, und wir hätten weniger Probleme mit Trockenheit und Fluten.

Ist High-input-Landwirtschaft aber irgendwo doch sinnvoll?
Nein, ich sehe nicht, wo die einen Platz haben sollte. Wir können nicht mehr länger zehn Kalorien brauchen, um eine zu produzieren, wenn wir sehen, dass die natürlichen Ressourcen aufgebraucht werden, wenn wir den Klimawandel sehen. Und intensive Landwirtschaft schadet auch der Biodiversität, wo wir ebenfalls längst im roten Bereich stehen. Wenn man mit Herbiziden vorgeht, hat man den Boden immer offen. CO2 entflieht in die Luft, bei Regen werden Nährstoffe schnell abgetragen. Der Pflug ist die dümmste, nicht die beste Erfindung in der Landwirtschaft.

Und wo steht für Sie die Schweizer Landwirtschaft?
Die Schweiz steht vergleichsweise nicht so schlecht da, aber natürlich ist noch lange nicht alles perfekt. Es wird zu viel gepflügt. Der Anbau von immer mehr Mais ist falsch, weil er sehr viele Nährstoffe aus dem Boden nimmt. Leguminosen, Eiweissträger wären besser. Die Kühe sollten möglichst kein Kraftfutter fressen.

 

Zur Person

Hans Rudolf Herren aus Conthey VS studierte an der ETH Zürich. Er lebte von 1978 bis 1994 als Insektenforscher in Afrika und  entwickelte eine biologische Form der Bekämpfung der Schmierlaus, die den Anbau von Maniok bedrohte. Dafür erhielt er 1995 den Welternährungspreis. Er war Co-Autor des Weltagrarberichts von 2008. 1998 gründete er die Stiftung Biovision, die in Afrika Kleinbauern zu ökologischer Landwirtschaft befähigt und in der Schweiz Konsumenten sensibilisiert. Als Krönung erhält er nun den alternativen Nobelpreis. sal

 

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