Am Freitag traf sich der Schweizerische Bauernverband (SBV) mit der Gruppe Joder, welche wie der SBV eine Volksinitiative plant. Eine Einigung steht noch immer aus. Knackpunkt ist der Selbstversorgungsgrad.
«Streit um Selbstversorgungsgrad»: So berichtete die Sendung «Heute morgen» von Schweizer Radio SRF am Samstag über die Verhandlungen von SBV auf der einen und der Gruppe um Nationalrat Rudolf Joder (SVP, BE) auf der anderen Seite. Offenbar hatte am Freitag ein Treffen zwischen den beiden Gruppen stattgefunden.
Die Gruppe Joder will daran festhalten, einen möglichst hohen Selbstversorgungsgrad anzustreben. «Der Selbstversorgungsgrad muss möglichst hoch sein. Und er sollte vor allem nicht weiter zurückfallen, als er heute ist», argumentiert Joder. Wenn die Bevölkerung weiter zunehme, sollte also für die Bauern ein zusätzliches Produktionsvolumen entstehen.
Netto-Selbstversorgung
SBV-Präsident Markus Ritter findet es problematisch, einen fixen Selbstversorgungsgrad anzustreben. Wichtig sei, dass man mit dem Netto-Selbstversorgungsgrad argumentiere. «Den Brutto-Selbstversorgungsgrad kann man mit Produkten aus Futtermittel- und Düngerimporten erhöhen», begründet er.
Der Netto-Selbstversorgungsgrad sinke seit Jahren und betrage aktuell nur noch rund 54%. Ritter ortet dafür drei Gründe: «der Verlust an Kulturland, die Extensivierung ausgedehnter Flächen und die wachsende Bevölkerung drücken den Netto-Selbstversorgungsgrad nach unten.»
Zuwanderung nicht regeln
Und warum bezieht der SBV nicht Stellung gegen die Netto-Einwanderung von 60'000 bis 100'000 Personen pro Jahr, die den Selbstversorgungsgrad drückt? «Eine fixe Beschränkung der Zuwanderung von Arbeitskräften ist für die Landwirtschaft eine Krux.» Denn insbesondere die Gemüsebauern könnten bei einer wieder eingeführten Quotenregelung, welche die Zuwanderung regelt, Probleme bekommen, genügend ausländische Arbeitskräfte zu bekommen (siehe Kasten). Den Selbstversorgungsrad wolle er nicht um jeden Preis erhöhen. «Ich finde es nicht erstrebenswert, isoliert den Netto-Selbstversorgungsgrad und damit die Kalorienproduktion zu steigern», betont er.
Der Grund dafür sei, dass der SBV eine vielfältige Landwirtschaft erhalten wolle. «Zucker, Kartoffeln oder Getreide fallen sehr stark ins Gewicht bei dieser Berechnung. Auf der anderen Seite bringen Gemüse, Obst, aber natürlich auch Fleisch und Milch viel weniger Kalorien für die menschliche Ernährung in Bezug zur aufgewendeten Kulturlandfläche.» Es mache keinen Sinn, diese wichtigen Produkte nur wegen des Selbstversorgungsgrads vermehrt aus dem Ausland zu beziehen.
Gespräche gehen weiter
Joder sieht dies anders: «Wenn wir den Selbstversorgungsgrad nicht verteidigen, dann braucht es keine Initiative.» Nur eine starke Landwirtschaft könne genügend gesunde und qualitativ gute Nahrungsmittel produzieren. «Dazu müssen wir ein Produktionsziel definieren und die Landwirtschaftspolitik darauf ausrichten», fügt er an.
Trotz den Differenzen ist ein weiteres gemeinsames Gespräch bei Rechtsprofessor Paul Richli von der Universität Luzern geplant, welcher die Gruppe Joder beim Initiativ-Entwurf juristisch beraten hat.
Zuwanderung
Der Vorstand des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV) habe an seiner letzten Sitzung die Stossrichtung für die in nächster Zeit anstehenden Volksabstimmungen zur Personenfreizügigkeit der bilateralen Verträge festgelegt, erklärt SBV-Präsident Markus Ritter. So lehne der SBV-Vorstand sowohl die Masseneinwanderungsinitiative der SVP als auch die Ecopop-Initiative, die ebenfalls die Personenfreizügigkeit neu regeln will, ab. Dafür sagt der SBV Ja zur Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf das neue EU-Mitglied Kroatien. sam