Der US-Saatgutspezialist Monsanto, der noch im vergangenen Jahr den Schweizer Konkurrenten Syngenta schlucken wollte, wird nun selber zum Übernahmekandidaten. Der deutsche Chemieriese Bayer will mit einem Kauf des Unternehmens sein Agrargeschäft stärken.
Vertreter von Bayer hätten sich kürzlich mit Mitgliedern der Monsanto-Geschäftsführung getroffen, um vertraulich über eine einvernehmliche Übernahme zu sprechen, teilte Bayer am Donnerstag mit. Die Amerikaner sprachen von einer unverbindlichen, unerbetenen Offerte. Der Verwaltungsrat des US-Konzerns will die Offerte jetzt prüfen.
Eine Übernahme könnte vor allem in den USA auf kartellrechtliche Hürden wegen Überlappungen im Saatgutgeschäft stossen. Für ein Zusammengehen spricht, dass Monsanto in den USA stärker aufgestellt ist, Bayer in Europa und Asien. Das könnte den Unternehmen auch bessere Karten bei den Wettbewerbshütern bescheren.
Konkurrenz für Syngenta
Mit einem Kauf Monsantos würde Bayer nicht nur zum weltgrössten Saatguthersteller aufsteigen, sondern könnte auch Syngenta vom Spitzenplatz unter den Pflanzenschutzanbietern ablösen.
Das «Wall Street Journal», das in der Nacht zunächst über die Gespräche berichtet hatte, schrieb unter Berufung auf Zahlen der Bank Morgan Stanley, gemeinsam würden die Unternehmen gut ein Viertel (28 Prozent) der weltweit verkauften Pflanzenschutzmittel absetzen. Sehr stark wären sie auch im US-Geschäft mit Getreide- und Soja-Samen.
Der US-Konzern erlöst im Jahr rund 15 Milliarden Dollar mit Saatgut und Pflanzenschutzmitteln. Bayer kam im vergangenen Jahr insgesamt auf einen Umsatz von 46,3 Milliarden Euro.
Bayer-Aktie im Minus
Monsanto war an der Börse zuletzt rund 42 Milliarden Dollar wert. Der Kurs schwankte in den vergangenen Tagen, nachdem es bereits vor einer Woche erste Berichte über ein Interesse von Bayer gegeben hatte.
Bayer bringt das Doppelte auf die Waage. Für Bayer wäre es nach dem Kauf des Arzneimittelherstellers Schering 2006 für 17 Milliarden Euro die mit Abstand grösste Akquisition in der Firmengeschichte. Die Aktien der Leverkusener gingen nach der Mitteilung auf Talfahrt und stürzten am Donnerstag im DAX um mehr als acht Prozent ab.
Marktteilnehmer rechneten mit einem zu hohen Kaufpreis, sagte ein Sprecher der Anlegerschutzvereinigung DSW. Monsanto geht gerade durch einige Turbulenzen. Der Konzern kappte jüngst die Gewinnprognose für dieses Jahr und baut Stellen ab.
Unter Fusionsdruck
In der Chemiebranche brodelt seit langem die Gerüchteküche über die Zukunft der Unternehmen, die sich auf das Geschäft mit der Landwirtschaft spezialisiert haben. Dieses steht wegen niedrigerer Preise für Agrarrohstoffe, den Turbulenzen in den Schwellenländern und der Rezession in Brasilien seit einiger Zeit unter erheblichem Druck.
Monsanto scheiterte im vergangenen Jahr mit der versuchten Übernahme des Basler Agrochemiekonzerns Syngenta. Des Schweizer Konkurrent wurde schliesslich für 43 Milliarden Dollar an den chinesischen Staatskonzern ChemChina verkauft.
Nach Ankündigung der Fusion der US-Chemiekonzerne DuPont und Dow Chemical, die das Agrarchemiegeschäft als eigenständiges Unternehmen planen, steht Monsanto unter Druck, sich einen Partner zu suchen.
Umstrittenes Glyphosat
Der US-Konzern steht wegen seiner gentechnisch veränderten Produkte immer wieder in der Kritik. Zudem stellt Monsanto den weltweit meistgenutzten Unkrautvernichter «Roundup» mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat her.
Glyphosat steht im Verdacht, Krebs zu erregen. In der Landwirtschaft und im Gartenbau wird das Herbizid vor der Aussaat zur Unkrautbekämpfung verwendet. In der Schweiz werden laut der Stiftung für Konsumentenschutz jährlich 300 Tonnen davon versprüht.
Die europäische Zulassung für Glyphosat läuft Ende Juni aus. Die EU wollte ursprünglich am Donnerstag über eine erneute Genehmigung entscheiden, vertagte den Entscheid jedoch erneut. Im Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel kam nicht die nötige Mehrheit für oder gegen die Neuzulassung des Herbizids zustande, wie EU-Diplomaten und die EU-Kommission bestätigten.