Die Umweltverantwortungsinitiative will Wirtschaft und Gesellschaft einem Wandel unterziehen, weg vom Profitstreben und hin zum Schutz und Erhalt der Lebensgrundlagen. Am Donnerstag stellten Vertreterinnen und Vertreter von Jungen Grünen, Grünen und SP ihre Argumente in Bern den Medien vor. Abgestimmt wird am 9. Februar.
«Keine andere Wahl»
Die Ressourcen der Erde seien begrenzt, und es dürften nur noch so viele Schadstoffe freigesetzt werden, wie der Planet ertrage, warben Befürworterinnen und Befürworter für ihr Anliegen. Innerhalb von zehn Jahren sollen die planetaren Grenzen eingehalten werden.
«Angesichts der eskalierenden Umweltkrisen hatten wir als Jungpartei keine andere Wahl, als diese Initiative ins Leben zu rufen», sagte Magdalena Erni, Co-Präsidentin der Jungen Grünen.
Angst um meine Zukunft
Mindestens sechs der neun planetaren Belastungsgrenzen seien in der Schweiz überschritten oder stünden kurz davor, überschritten zu werden. Bei der Klimaveränderung werde die Belastbarkeitsgrenze um das 19-Fache überschritten. «Das ist krass, und damit verlassen wir unseren sicheren Handlungsspielraum.»
Fernsehbilder von Überschwemmungen und Beobachtungen von schmelzenden Gletschern hätten ihr Erwachsenwerden geprägt, sagte die junge Politikerin. «Ich bin 21 Jahre alt und habe Angst um meine Zukunft.» Eine Verpflichtung zur Einhaltung der planetaren Grenzen könne Abhilfe schaffen.
Versursacher sollen bezahlen
Die natürlichen Ressourcen gehörten allen, fügte SP-Nationalrat Hasan Candan (LU) hinzu. «Doch sie werden immer mehr privatisiert.» Doch die Schäden an der Umwelt trügen alle. Die Initiative wolle ein Wirtschaftssystem, das eine gerechte Verteilung der Ressourcen sicherstelle und die Verursacher für Umweltschäden zahlen lasse.
Ernährung dürfe nicht mehr als Handelsware betrachtet werden, losgelöst vom Boden, forderte der Westschweizer Yves Batardon für die Bauerngewerkschaft Uniterre und die Kleinbauern-Vereinigung. Von den Bäuerinnen und Bauern Nachhaltigkeit und zugleich Wettbewerbsfähigkeit zu verlangen, sei paradox. Und: Die Gesellschaft müsse ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass Verzicht keine Strafe bedeute, sondern die Freiheit, verzichten zu können.
Gesundheit an erster Stelle
Für viele Menschen in der Schweiz stehe die Gesundheit an erster Stelle, sagte Valérie d'Acremont, Professorin für globale Gesundheit an der Universität Lausanne, zur Frage, wie die Menschen von weniger Komfort überzeugt werden könnten. Krankheiten vorzubeugen bedeute auch, den Klimawandel aufzuhalten und Verschmutzungen zu verhindern.
Hitzewellen und die Luftverschmutzung forderten in der Schweiz schon heute Menschenleben, sagte d'Acremont. Wegen der jährlich wachsenden Pollenbelastung litten immer mehr Menschen an Asthma. Pestizide und giftige Stoffe im Boden und im Wasser führten zu Krebserkrankungen.
Der Walliser Grünen-Nationalrat Christophe Clivaz blickte voraus auf die Gesetzesarbeiten im Parlament, nach einem Ja zur Initiative. Dann müssten beispielsweise für die Umwelt schädliche Subventionen abgeschafft werden, und es brauche Investitionen in die ökologische Transition und Kreislaufwirtschaft.
Werbeverbote
Clivaz schwebt ausserdem ein Verbot von Werbung vor, die zu übermässigem Konsum führt respektive für umweltschädliche Produkte wirbt, wie er sagte. «Sie veranlasst uns, immer das Neueste und Modischste besitzen zu wollen.» Im Management müssten Mitarbeitende mitreden und ihre Umweltstandpunkte einbringen können.
Die Initiative wurde von den Jungen Grünen lanciert und vor rund einem Jahr eingereicht. Unterstützt wird sie von Grünen, SP und EVP und deren Jungparteien sowie verschiedenen NGOs wie Greenpeace, Pro Natura, Uniterre und Kleinbauern-Vereinigung. Ebenso trägt ein wissenschaftliches Unterstützungskomitee die Initiative mit.
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Volksinitiative «für eine verantwortungsvolle Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen (Umweltverantwortungsinitiative)»
Die Initiative fordert einen Verfassungsartikel, wonach der Umweltschutz in der Schweiz neu an erster Stelle steht. Bei einer Annahme der Initiative wird die Bundesverfassung wie folgt geändert:
Art. 94a Rahmen der Wirtschaft (-> hier der aktuelle Text)
1 Die Natur und ihre Erneuerungsfähigkeit bilden den Rahmen für die schweizerische Gesamtwirtschaft. Wirtschaftliche Tätigkeiten dürfen nur so viele Ressourcen verbrauchen und Schadstoffe freisetzen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben.
2 Bund und Kantone stellen die Einhaltung dieses Grundsatzes sicher; dabei tragen sie insbesondere der Sozialverträglichkeit im In- und Ausland der von ihnen getroffenen Massnahmen Rechnung.
1 Bund und Kantone sorgen dafür, dass die durch den Konsum in der Schweiz verursachte Umweltbelastung spätestens zehn Jahre nach Annahme von Artikel 94a durch Volk und Stände die planetaren Grenzen gemessen am Bevölkerungsanteil der Schweiz nicht mehr überschreitet.
Art. 197 Ziff. 132213. Übergangsbestimmung zu Art. 94a (Rahmen der Wirtschaft)
2 Diese Bestimmung gilt namentlich in den Bereichen Klimaveränderung, Biodiversitätsverlust, Wasserverbrauch, Bodennutzung sowie Stickstoff- und Phosphoreintrag.