«Bei Milchschafen interessiert sich niemand dafür, wer das schönste Schaf im Stall hält», betont SMG-Präsident Herbert Volken. Ob sich Böcke zur Nachzucht eignen, entscheiden Zuchtwerte und der Milchindex.
Die Internationale Milchschaf-Fachtagung hat letzte Woche turnusgemäss in der Schweiz stattgefunden, mit Teilnehmern aus Deutschland, Österreich und Südtirol (I) – dieses Jahr sogar mit einem französischen Roquefort-Käser. Roquefort ist der zweifellos bekannteste Schafkäse Europas, allerdings wies der Buchautor Dominik Flammer in einem Vortrag über die Geschichte der Käsereiprodukte darauf hin, dass einige der bekanntesten französischen Käsesorten einst von Schweizer Käsern entwickelt wurden.
Hirten und Käser fehlten
«Das Privileg, vom 30-jährigen Krieg verschont geblieben zu sein, führte dazu, dass Franzosen nach dem Krieg Schweizer Käser einstellten, die Armeen mit Halbhart- und Hartkäse versorgt haben», erklärte er. Allerdings seien es davor italienische Schafhirten gewesen, die Bergamasker, welche die Lab-Käserei im 16. Jahrhundert in die Schweiz gebracht hätten.
Im Jahr 1904 sei die Schafkäse-Produktion aus der Schweiz aber abrupt verschwunden, «als den Bergamaskern aus seuchenpolizeilichen Gründen die Einreise in die Schweiz nicht mehr erlaubt wurde und urplötzlich 800'000 erfahrene Hirten und Käser fehlten samt ihrem Know-how, Schafkäse herzustellen».
Frischmilch für 5 Franken
Heute erfreut sich die Schafmilch-Produktion zunehmender Beliebtheit. Nicht zuletzt wegen des deutlich höheren Milchpreises. Der Praktiker Martin Büchi aus Davos GR sprach von einem Milchpreis von 2.90 Franken, den er erhält. Herbert Volken, Präsident der Schweizerischen Milchschafzucht-Genossenschaft (SMG) und Betriebsleiter des Landwirtschaftszentrums in Visp VS, verkauft einen Liter Frischmilch am Visper «Pürumärt» gar für 5 Franken – oft an Kuhmilch-Allergiker. Die SMG zählt etwa 100 Mitglieder, Züchter von Lacaune und Ostfriesischen Milchschafen.
Exterieur und Parasiten
Weil die Milch- und Käseproduktion bei der Zucht von Milchschafen eine so bedeutende Rolle spielt, herrscht bei Milchschafen eine andere Kultur vor als bei Fleischschaf-Rassen. Volken meint: «Niemand interessiert sich dafür, wer das schönste Schaf im Stall hat. Darum sieht man Milchschafe nie an Ausstellungen.»
Um zu entscheiden, welche Tiere sich für die Zucht eignen, werden aber auch Milchschafe punktiert – sogar in fünf Positionen. Nach Typ und Fundament folgen Euter und Zitzen, an fünfter Stelle die Wolle. Junge Bockmütter müssen dabei in allen fünf Positionen mindestens mit der Note 3 punktiert werden, ältere mit der Note 4. «Wir wollen nicht mit Tieren züchten, die sich in der Jugend gut entwickeln, aber schon früh das Euter hängen lassen», erklärt SMG-Geschäftsführer Urs Mischler.
Aufgrund der Verwurmungs-Problematik selektieren Milchschäfer auch nach Parasiten-Resistenz. Auf Bockweiden werden Einzelkot-Proben von jungen Böcken genommen, wobei ein Drittel der Böcke, die mit der höchsten Anzahl Wurmeier pro Gramm Kot, als zur Zucht nicht geeignet klassiert werden.
Gesamt-Milchindex
Neu spielen auch Zuchtwerte eine Rolle. Nach den USA, Frankreich und der Slowakei werden seit letztem Jahr auch in der Schweiz Zuchtwerte für Ostfriesische Milchschafe und Lacaune berechnet. Dies sogar in sechs Positionen: Milchmenge in Kilo nach 100 Tagen, Fett-Prozent nach 100 Tagen und Eiweiss-Prozent nach 100 Tagen, sowie Milchmenge, Fett-Prozent und Eiweiss-Prozent nach 200 Tagen, was dem Standard-Abschluss entspricht.
Auf dem Abstammungsausweis werden die Zuchtwerte für Milchmenge, Fett und Eiweiss aber wieder zusammengefasst ausgewiesen. Zusätzlich erscheint der Gesamt-Milch-Index, wobei die Milchmenge nur zu 20 Prozent gewichtet wird, Fett dagegen zu 30 Prozent, Eiweiss sogar zu 50 Prozent. Um Bockmutter zu werden, muss eine Aue dabei sowohl bei der Milchmenge als auch beim Fett- und Eiweiss-Gehalt mindestens einen Zuchtwert von 90 aufweisen bei einem Gesamt-Milch-Index von mindestens 101.