Fleischersatz hergestellt mithilfe von Pilzmyzel und Zucker.
Renate Hodel
In Aarberg steht nicht nur eine Zuckerfabrik, sondern auch die Produktionsstätte eines Fleischersatzes – hergestellt mithilfe von Pilzmyzel und Zucker. Möglich macht das eine Partnerschaft zwischen der Schweizer Zucker AG und dem Biotech-Start-up Planetary. Das erste marktreife Produkt der Firma Planetary ist inzwischen erhältlich.
Start im Sommer 2024
Im Sommer 2024 startete Planetary die industrielle Produktion mithilfe von Präzisionsfermentation in einer Halle der Zuckerfabrik Aarberg (mehr im Kasten). Ein Jahr nach Inbetriebnahme der Produktionsanlage ist der grosse Schritt geschafft: Planetary hat das erste Produkt auf Basis von Präzisionsfermentation lanciert. Das neue Produkt sieht aus wie Poulet, schmeckt ähnlich – enthält aber eben kein Fleisch.
Die Basis bildet das Myzel von Speisepilzen, das in einem kontrollierten Prozess mit Zuckersirup gefüttert wird. Daraus entsteht ein proteinreicher, strukturierter Fleischersatz. Aktuell wird das Produkt als vegetarisches Filet in rund 250 Aldi-Filialen in der Schweiz angeboten.
Schweizer Zucker AG geht neue Wege
Nach der Eröffnung einer Ethanolproduktionsanlage im Juni 2022 hat Planetary im Februar 2024 die Aarberg Food AG gegründet. Das Start-up Planetary nutzt Präzisionsfermentation, um Produkte aus Zuckerrüben zu entwickeln, darunter Lebensmittel, Kunststoffe und kosmetische Mittel.
«Wir glauben an das Produkt», sagte Raphael Wild, Kommunikationsleiter der Schweizer Zucker AG, im Juni 2024. «Natürlich sind Innovationen immer auch mit Risiken verbunden – wir schätzen diese aber als verantwortbar ein und sind überzeugt, dass wir mit unserem Partner Planetary hier eine weitere Verwendung der Zuckerrübe ‹erfinden› können», führte er aus. Neben der Schweizer Zucker AG unterstützt auch der Kanton Bern das Projekt. Er ist für die Rahmenbedingungen zuständig, finanziert Machbarkeitsstudien und hilft bei den nötigen Bewilligungsprozessen für diese doch sehr innovativen Projekte und Produkte.
«Unsere erste Finanzierung kam von Risikokapital», erklärte David Brandes im Commodity-Conversations-Interview, «wir haben 8 Millionen Dollar in der Seed-Runde gesammelt – die grösste für Foodtech in der Schweiz.» Seitdem sei ein etwa gleicher Betrag hinzugekommen, einschliesslich der Unterstützung vom Kanton Bern und der Unterstützung der Schweizer Zucker AG in Form der ersten Anlageninstallation.
Infrastruktur und Rohstoff
Die Schweizer Zucker AG spielt dabei eine zentrale Rolle im Hintergrund: Sie stellt nicht nur die Hallen und Infrastruktur zur Verfügung, sondern liefert auch den Rohstoff für die Fermentation – Zuckersirupe in verschiedenen Ausführungen.
«Planetary hat an ihrem Produkt gefeilt und ihre Produktionsanlage in unseren Hallen skaliert», sagt Raphael Wild, Kommunikationsleiter der Schweizer Zucker AG. «Das Produkt selbst stammt ausschliesslich von Planetary – wir stellen die Fermentationssubstrate zur Verfügung sowie industrielle Infrastruktur wie Wärme, Strom und Druckluft.»
Technologie bewährt
Die Zusammenarbeit zwischen Planetary und der Schweizer Zucker AG hat sich laut Raphael Wild gut eingespielt. Planetary hat für den Markteintritt die Aarberg Food AG gegründet. Weitere Industriepartner sind derzeit nicht beteiligt, doch das Start-up verfügt über mehrere internationale Investoren – und hat offenbar schon weitere Produkte in der Pipeline. Denn im Gegensatz zu vielen Laborfleisch-Projekten basiert die Fermentationstechnologie, die sich Planetary zunutze macht, auf bereits bewährten, lebensmittelsicheren Organismen. Daher sind auch die Hürden, ein entsprechendes Produkt auf den Markt zu bringen, weniger hoch.
Aktuell wird das Produkt als vegetarisches Gourmet-Filet in rund 250 Aldi-Filialen in der Schweiz angeboten.
Renate Hodel
Die Schweizer Zucker AG hingegen konzentriert sich auf ihre Rolle als Zulieferin: «Von uns sind momentan keine eigenen Produkte geplant», so Raphael Wild. Man prüfe aber kontinuierlich neue Ideen zur umfassenden Verwertung der Zuckerrübe – ähnlich wie bei den Projekten rund um die Ethanolproduktion oder Pektin.
Biotech als Ergänzung
Diese Zusammenarbeit zeigt: Zucker kann mehr als süssen. In der Präzisionsfermentation dient er als Futter für Mikroorganismen, die daraus Proteine oder strukturierte Biomasse herstellen – ein Ansatz, der im globalen Foodtech-Sektor als besonders vielversprechend gilt. In Aarberg trifft dieser Zukunftstrend auf jahrzehntelange industrielle Erfahrung.
Ob Aarberg künftig stärker auf Biotechnologie setzt, lässt die Schweizer Zucker AG offen. «In erster Linie produzieren wir besten Schweizer Zucker», betont Raphael Wild. Die Infrastruktur sei auf diesen Zweck ausgerichtet, grössere Umstellungen bräuchten entsprechende Investitionen. «Etwas komplett anderes zu produzieren, ist schwierig und bedarf grösseren und wohlüberlegten Investitionen», erklärt der Kommunikationsleiter der Schweizer Zucker AG weiter. Dennoch: Wenn sich neue Chancen ergeben – auch im Biotechbereich – werde man diese sorgfältig prüfen. Schliesslich ist der Zuckermarkt volatil und Diversifikation könne langfristig eine Absicherung bieten.
Profitiert der Landwirt?
Ein langfristiger Effekt der Kooperation könnte sich auch im Schweizer Ackerbau zeigen: «Wenn durch neue, innovative Produkte die Nachfrage nach Zuckerrüben steigt, profitieren auch die Pflanzerinnen und Pflanzer», erklärt Raphael Wild. Aktuell stammen die verwendeten Zuckersirupe von Schweizer Zuckerrüben – für die Wertschöpfung im Inland ein positives Signal.
In der Fabrik in Aarberg wird nicht nur Zucker produziert, sondern unter anderem auch Pilzmyzel fermentiert.
Renate Hodel
Wie die Zuckerfabrik in Aarberg in zehn Jahren dasteht, bleibt offen. Klar ist: Der Trend zu nachhaltigen, tierfreien Proteinalternativen setzt sich fort. Während viele dieser Produkte auf importierten Zutaten basieren, entsteht in Aarberg ein Ansatz mit lokaler Verankerung – und einer traditionsreichen Kulturpflanze im Zentrum.
«Ob und in welcher Form Zucker oder die Zuckerrübe künftig eine Rolle in der Ernährung spielen wird, wird sich zeigen», so Raphael Wild. «Wir sind jedenfalls offen für neue Ideen – unser Motto lautet ‹Rübis und stübis›, also die komplette und nachhaltige Verwertung der Zuckerrübe.»
Sollen sie doch den Sch..s aus einem Bech oder einer Wurzel abkratzen.
So ungesund kann unsere Ernährung nicht sein.
Sonst hätten wir nicht eine solche Überbevölkerung.