«Schweizer Bauer»: Wieso ist es für Betriebsleiter und Betriebsleiterinnen in der Landwirtschat schwierig Ferien oder freie Wochenende zu machen?
Andri Kober: Aus meiner Perspektive ist die Abgabe von Verantwortung der Hauptgrund. Auch wenn die Übergänge von Wohnen, Leben und Familie auf einem Betrieb verwoben sind und ineinander übergreifen, muss trotzdem klar sein, dass ein Landwirtschaftsbetrieb ein Unternehmen ist und so geführt werden sollte. Das heisst, es braucht einen Führungs- und Planungs-Rhythmus. In der Landwirtschaft steht viel an, das Wetter macht sowieso, was es will. Wenn keine gute Organisation und keine Struktur im Betriebsablauf sind, dann wird es schwierig. Dann kann weder Verantwortung abgegeben noch Unvorhergesehenes aufgefangen werden.
Für viele Betriebsleiterinnen und Leiter in der Landwirtschaft ist es schwierig eine Vertrauensperson zu finden.
Ist es für Landwirte schwieriger als für andere Berufsgruppen?
Ich kenne tatsächlich nur wenige Betriebe auf denen Ferien und Ferientage in der Betriebsstruktur gut umgesetzt werden. Ein Landwirtschaftsbetrieb ist hoch komplex, mit grossen Herausforderungen, dynamischen Anforderungen und schwerwiegender Verantwortung. Kommt heute dazu, dass immer mehr täglich digital erfasst und nachgewiesen werden muss. Für Landwirte mit Tieren ist es noch schwieriger. Bei Tieren muss man jeden Tag neu schauen, was ansteht - wie wenn man zehn Kinder hätte. Andere Kleingewerbe können in der Ferienzeit einfach den Laden dicht machen, ohne dass dabei etwas kaputt geht, verdirbt oder stirbt. Für viele Betriebsleiterinnen und Leiter in der Landwirtschaft ist es schwierig eine Vertrauensperson zu finden, der sie diese Verantwortung zeitweise und ruhigen Gewissens abgeben können, wenn sie nicht auf die erweiterte Familien- oder Freundeskreis zurückgreifen können.
Ferien sind wichtig, um den «Motor» zwischendurch zu kühlen, sagt Andri Kober.
Stefan Schweihofer
Welche Bedeutung haben Freitage und Ferien?
Sie sind sehr wichtig. Auch ein Motor muss zwischendurch ausgeschaltet werden um abkühlen zu können. Gerade als Betriebsleiterin und Betriebsleiter ist es wichtig, sich zwischendurch bewusst herauszunehmen. Es ist für die eigene Gesundheit und die physische wie psychische Integrität bedeutsam, sich aus dem Alltagstrott zu lösen, der ja auch immer schneller wird. Es ist wichtig, sich für kurze Zeit zu distanzieren um hin und wieder den «Wald als Ganzes zu überschauen», wenn man droht «vor lauter Bäumen» den Überblick zu verlieren. Daher braucht es zwischendurch Ferien und Freitage. Nur ist dafür jeder selbst in der Verantwortung.
Sind aber nicht Veränderungen feststellbar?
In der jüngeren Generation stelle ich diesbezüglich erfreulicherweise bereits ein wachsendes Bewusstsein fest. Für viele Landwirte über 50 scheint es nach wie vor undenkbar zu sein, sich Ferien zu nehmen beziehungsweise zu gönnen, weg zu fahren und den Betrieb für eine gewisse Zeit abzugeben. Es macht mir immer wieder Freude, von gut organisierten Betriebsleiterinnen zu hören, die sich fixe Auszeiten nehmen und beispielsweise im Februar und im November in die Ferien gehen. Hier möchte ich auch erwähnen, wie wichtig ausreichender Schlaf ist, gerade in ganz dichten Erntezeiten.
Viele Landwirte leiden an Schlafmangel.
Können Sie das erklären?
Viele Landwirte leiden an Schlafmangel. Aus der Hirnforschung weiss man, dass der tägliche Schlaf als Ruhezeit fürs Gehirn und den Körper - idealerweise 8 Stunden am Stück- elementar für die Verarbeitung von Erlebtem ist. Bei Schlafmangel funktioniert man nur noch und wird immer unaufmerksamer. Das ist gefährlich und kann – gerade in der Landwirtschaft, in der mit grossen Maschinen und Tieren gearbeitet wird – verehrend sein. Einmal nicht nach rechts geschaut, den Velofahrer nicht gesehen und schon hat man einen tragischen Unfall verursacht.
Während der Erntezeit sind die Arbeitsspitzen besonders hoch.
Elisabeth Hunziker
Erntezeit, Alpzeit ect. sind mit besonders strengen Arbeitsspitzen verbunden. Viele kommen den Anschlag. Was sind die ersten Anzeichen dafür?
Stress, gereizt sein, unaufmerksam sein, nicht fokussiert sein, nicht abschalten können oder «es» studiert einem über weite Strecken durch die Nacht hindurch.
Was kann man machen, um durch solche Zeiten durchzukommen – vor allem, wenn es betriebswirtschaftlich gerade nicht möglich ist, sich eine mehrtätige Auszeit zu nehmen?
Erfahrungsmässig hat sich gezeigt, dass sich Betriebsleiter mit einer guten Planung und Organisation auch in Spitzenzeiten sogenannte «Inseln», also Zeitfenster, nehmen, um kurz runterzufahren. Auch wenn es nur ein zwanzigminütiger Spaziergang ums Feld ist. Schauen, dass man genug schläft – ein «Powernap» – kann Wunder wirken und neue Energie und Konzentration schenken. Wenn man sich als Betriebsleiter nicht selbst managt, wird man Sklave von dem ganzen «Zeugs» und man gerät in ein Hamsterrad. Jede und jeder ist in der Eigenverantwortung sich diesen notwendigen Raum zu schaffen.
Ich empfehle, einen Führungs- und Planungsrhythmus auf dem Betrieb zu etablieren.
Was würden Sie Landwirten mittel und langfristig empfehlen?
Einen Führungs- und Planungsrhythmus auf dem Betrieb etablieren und konsequent einhalten. Einmal in der Woche eine fixe Planungssitzung mit allen Mitarbeitern – in der Regel Familienangehörigen – des Betriebes durchführen. Und zwar nicht zwischen «Tür und Angel» beziehungsweise Feld und Stall, sondern sich Zeit und Raum nehmen, um zusammen zu sitzen und sich aus- wie abzusprechen. So sind alle auf dem gleichen Stand und wissen was ansteht und läuft und wer sich um was kümmert. Es besteht Klarheit wer wofür die Verantwortung trägt. Und vor allem dann, wenn es anders kommt flexibel darauf reagieren kann. Ohne diese Planungsdisziplin besteht die Gefahr, dass vieles rasch ins Chaotische gerät und man nicht mehr nachkommt. Der Austausch, die Kommunikation, die Struktur und die Ordnung sind auch wichtig für den eigenen Kopf. Wichtig ist auch, dass man in Alternativen plant.
Ein Landwirtschaftsbetrieb ist ein Unternehmen und muss sich seine Ferien, wie jedes andere Unternehmen auch, erwirtschaften
Wie meinen Sie das?
Beispielsweise plant man sich bei schlechtem Wetter den Mittwochnachmittag frei zu nehmen, wird es doch unerwartet schön, dann erledigt man am Mittwochnachmittag die Arbeit und geht dann aber am nächsten Tag weg. Die Freitage dürfen so nicht einfach fallengelassen werden, sondern man ist gut beraten, das eingeplante Alternativdatum auch wirklich wahrzunehmen.
Gibt es für Betriebsleiter Angebote für Ferienablösungen?
Soweit ich weiss, nicht. Die Ressource «Familie und Angehörige» ist für einen Landwirtschaftsbetrieb immer noch die wichtigste. Wobei sorgfältig darauf zu achten ist, dass man deren Hilfe nicht einfach als selbstverständlich anschaut, sondern das klar bespricht und regelt, am besten mit einem Angestelltenverhältnis und klarer Entlöhnung. Wird es einfach als selbstverständlich angesehen, entstehen früher oder später berechtigte Spannungen.
Was machen, wenn man vereisen möchte, aber das Budget beschränkt ist?
Ein Landwirtschaftsbetrieb ist ein Unternehmen und muss sich seine Ferien, wie jedes andere Unternehmen auch, erwirtschaften. Es geht aber auch darum herauszufinden, was für Bedürfnisse man hat. Diese sind sehr individuell. Will man ein Wochenende weg, einzelne Tage, eine Woche oder länger? So wie ich es erlebe sind 14 Tage Ferien für die meisten Landwirtinnen und Landwirte das maximale der Gefühle. Nur schon eine Woche weg und die Gedanken kreisen wieder um den Betrieb bedeutet nur bedingte Erholung. In der Landwirtschaft ist es vor der Hofübergabe und Pensionierung nach meinen Erfahrungen fast nicht möglich längere Zeit, etwa 3 Monate auf Weltreise zu gehen. Wenn man weiss, was für Bedürfnisse man hat, kann man gezielt nach den passenden Lösungen - auch durchaus mit kleinem Budget - suchen.
Beenden Sie die Sätze…
Ferien sind… ein wichtiger Zeitraum für Ruhe und um andere Eindrücke zu bekommen.
Landwirtschaft ist… existenziell für die Gesellschaft.
Viele haben schlechte Erfahrungen mit Kontrolleuren gemacht und leiden permanent unter der Situation, jederzeit für etwas verwarnt zu werden, was seit Jahren akzeptiert war.
Was wenn die Ressource "Familie und Angehörige" aus lange pensionierten Eltern besteht? Es wissen wohl alle, oder viele, wie schwierig es ist jemanden zu finden. Anfänger sollte es bei Betrieben mit Tieren sowieso keiner sein! In der Nähe wohnen müsste die Person ja auch. Sich selbst verpflegen und was ist wenn nachts etwas ist und niemand merkt es weil "der Vertreter" nicht auf dem Betrieb ist.....
Ich habe angefangen das Mittagessen auszulassen.
Seither habe ich viel weniger Stress.
Wir verreisen seit 30 Jahren eine Woche im Sommer und eine im Winter.
Fazit: Das Einplanen wie auch das Vorbereiten erfordert einiges an Disziplin wie auch gut eingefädelte Arbeitsabläufe, da wir auf unserem Betrieb Milchkühe und Schweine halten.
Mir ist schon länger aufgefallen, wenn wir aus den Ferien zurückkehren, sehe ich unseren Landwirtschaftsbetrieb aus einer anderen Perspektive( Gesamtheitlichere Aussenansicht)
Dies gibt Raum, Zeit und Sinn.
Vorschlag:- Mutig Ferien einplanen, es wird funktionieren.