Bettina Kiener (30) ist Landwirtin, Agronomin FH und arbeitet beim «Schweizer Bauer» als Redaktorin. Diesen Sommer verbringt sie auf der Alp Meienberg in Zweisimmen BE und hilft dort im Stall, beim Käsen und bei allem, was es sonst zu tun gibt. Rund alle zwei Wochen berichtet sie, was sie erlebt.
Nun bin ich schon eine Woche auf der Alp. Die Kühe haben sich rasch in ihrem Sommerquartier eingelebt. Ein buntes Gemisch an Holstein-, Redholstein-, Brown-Suisse-, Schweizer-Fleckvieh- und Simmentaler-Kühen.
5 Berner Alpkäse täglich
Täglich produzieren wir fünf Berner Alpkäse und seit ein paar Tagen auch Ziegenkäse. Jeden Morgen erwärmen wir die rund 500 Liter rohe Alpmilch in einem Chupfer-Chessi über dem offenen Feuer auf 33 Grad. Dann kommen die Kultur und das Lab rein. Die sogenannte Fettsirtenkultur züchten wir selbst. (Mehr dazu aber ein anderes Mal.)
Die Gerinnungszeit dauert eine halbe Stunde, anschliessend beginne ich mit dem Bruchmachen: Erst schneide ich die geronnene Milch, ziehe die zerschnittene Gallerte vom entfernten Chessirand zu mir hin, bis die Bodenpartie oben zu liegen kommt, und rühre dann mit der Harfe im Chessi, bis ich mit der Korngrösse zufrieden bin. Dann kommt das Rührwerk ins Kessi, damit der Bruch nicht klumpt. Eine Dreiviertelstunde nach dem Bruchschneiden schieben wir das Chessi über das Feuer, das ich vorher in der Feuergrube entzündet habe, und erhitzen den Käse auf 53 Grad.
Bettina Kiener
«Halte den Atem an»
Ist es draussen warm, komme ich dabei auch mal ins Schwitzen. Am Donnerstagmorgen aber wars eine ganz angenehme Aufgabe, denn draussen war es nur um die vier Grad und in der Hütte wohl nur knapp zehn Grad wärmer.
Nach dem Ausrühren holen wir den Käse mit dem «Bögli» und dem Käsetuch aus dem Chessi. Erst kühle ich meine Arme mit kaltem Wasser, bevor ich bis zu den Oberarmen in die dampfende Käsemilch eintauche. Dabei halte ich immer den Atem an. Wieso, weiss ich nicht. Doch es hilft, die heisse Temperatur auszuhalten. Sind Renate, Hansruedi und ich zusammen am Käsen, hat jeder seine Aufgaben und kennt seine Handgriffe.
Heftiges Hagelgewitter
Das Wetter hat in den vergangenen Tagen seine unterschiedlichen Facetten gezeigt. Am vergangenen Sonntag hats gehagelt. Kurz vor dem Mittag wurde es immer dunkler, dann gings los: Mit viel Getöse donnerten die Hagelkörner aufs Dach der Hütte. Die Hühner draussen hatten versäumt, rechtzeitig einen Unterschlupf zu suchen. Als die ersten Hagelsteine die Hennen trafen, waren die Tiere wie erstarrt und wir mussten raus und sie zu ihrem Stall treiben.
Zum Glück zog das Gewitter rasch vorüber und hinterliess bei uns nur minimale Spuren. Etwas weiter talwärts hatten sie weniger Glück. Der Hagel setzte dem Gras und auch den Blumen vor den Fenstern arg zu. Noch am nächsten Tag türmten sich die Hagelkörner am Strassenrand. Und auf der Nachbaralp wurde gar ein Rind vom Blitz erschlagen.
Am 22. Juni wird nicht gezügelt
Im letzten Blog schrieb ich, dass im westlichen Berner Oberland die Tiere nie an einem Mittwoch und auch nicht am 22. Juni gezügelt würden. Warum? Ich musste merken, dass diese Frage gar nicht so einfach zu beantworten ist. Alle, die ich gefragt habe, sagten: «Weil man an einem Mittwoch einfach nicht zügelt.» Das bringe Unglück. Zum 22. Juni weiss ich etwas mehr. Das ist der Zehntausend-Rittertag. An diesem Tag erinnert sich die katholische Kirche ans Martyrium der Zehntausend Ritter, die sich zu Beginn des zweiten Jahrhunderts zum Christlichen Glauben bekehrten.
Da sie nicht mehr die heidnischen Götter anbeten wollten, wurden sie auf dem Berg Ararat gefoltert und gekreuzigt. Der 22. Juni gilt in der Schweiz seit jeher als Unglückstag und deshalb ist es wohl auch kein Zügel-Tag. Obwohl auch an diesem Datum im Jahr 1476 die Eidgenossen in der Schlacht von Murten die Burgunder schlugen.
Bettina Kiener
Alpsaison immer früher
Vielleicht denkt ihr jetzt, der 22. Juni sei sowieso zu spät für den Alpaufzug. Doch im Vergleich zu früher beginnt die Sömmerungszeit immer eher im Jahr, dies mit grossen Unterschieden zwischen den Jahren. Und heuer ist alles sehr früh. Am Montag bin ich rauf aufs Diemtigtaler Niderhore.
Auf dem Weg nach oben bestaune ich jedes Jahr zu Beginn der Alpzeit den Bergfrühling, insbesondere die gelben Flühblumen, die wunderbar nach Honig duften. Dieses Mal war die meisten jedoch schon verblüht. Jetzt freue ich mich auf schöneres und vor allem wärmeres Wetter und auf die Alpenrosen, wovon auch schon die ersten blühen.
Bettinas Alpblog