Boden ist Grundlage für Nahrung, Trinkwasser und vieles mehr. Und doch wird er vielerorts verdichtet, versiegelt und geht verloren. Ein Nationales Forschungsprogramm hat Vorschläge erarbeitet, Böden in der Schweiz nachhaltiger zu nutzen. Besonders für die Raumplanung.
Den Böden der Schweiz droht Gefahr. Sie werden geschluckt von wachsenden Siedlungen und Städten. Erosion und Schadstoffe tun ein Übriges. Die Artenvielfalt im und auf dem Boden sinkt, organische Substanz (Humus) geht verloren, und einmal versiegelt ist er auf lange Sicht unrettbar verloren und nur mit hohen Kosten halbwegs wieder herzustellen, mahnen die Forschenden des Nationalen Forschungsprogramms «Nachhaltige Nutzung der Ressource Boden» (NFP68).
Eine Frage der Raumplanung
Unter Häusern, Strassen und sonstiger Infrastruktur verbaut kann Boden seine wichtigen ökologischen Funktionen für die Allgemeinheit nicht mehr erfüllen. Nicht nur als Ackerfläche für die Nahrungsmittelproduktion, oder als Waldfläche für die Forstwirtschaft, sondern auch als natürlicher Wasserfilter für die Trinkwasserversorgung, als Hochwasserschutz, als zentraler Faktor im Klimaschutz und als Grundlage für Erholungszonen für den Menschen.
Um den Verlust hochwertiger Böden zu bremsen und zu minimieren, ist die Raumplanung gefragt. So lautet eines der Resultate aus dem NFP68, die der Schweizerische Nationalfonds (SNF) am Montag in Bern präsentierte. Bisher wurde in der Raumplanung demnach viel zu wenig auf die Qualität der Böden geachtet. Sie sollte als eine massgebliche Entscheidungsgrösse in die Raumplanungsgesetzgebungen integriert werden, empfehlen die am NFP68 beteiligten Forschenden.
Bodenindexpunkte
Aber wie misst man die Qualität eines Bodens? Die Wissenschaftler haben hierfür ein Punktesystem erarbeitet. Diese Bodenindexpunkte spiegeln wider, wie gut ein Boden Ökosystemleistungen wie beispielsweise Wasserfiltration und Nährstoffgrundlage für Pflanzenwachstum erfüllen kann. Ein zentraler Faktor dabei ist organische Bodensubstanz (Humus). «Sie zu erhalten ist ein zentrales Ziel nachhaltiger Bewirtschaftung», sagte Emmanuel Frossard von der ETH Zürich, Präsident der Leitungsgruppe des NFP68, gemäss einer Mitteilung des SNF.
Mit diesen Bodenindexpunkten als Entscheidungshilfe, könne die Siedlungsentwicklung auf Böden geringerer Qualität und nach innen - also ins Innere der bereits bestehenden Städte und Siedlungen - gelenkt werden, liess sich Adrienne Grêt-Regamey von der ETH Zürich zitieren.
Bodenbewirtschaftung auf Bodenqualität ausrichten
Das NFP 68 hat die Wirkungen der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung auf die Bodenqualität untersucht. In einem mehrjährigen Versuch beobachteten Forschende die Regeneration eines Bodens nach der Verdichtung durch einen Traktor. Sie stellten fest: Ein einziges Verdichtungsereignis reduziert die Ernteerträge über mehr als ein Jahrzehnt.
Eine entscheidende Rolle für die die Bodenqualität spielt die organische Bodensubstanz (Humus). "Sie zu erhalten ist ein zentrales Ziel einer nachhaltigen Bewirtschaftung", betont Emmanuel Frossard, Präsident der Leitungsgruppe des NFP 68. "Dies erfordert Massnahmen, die auf die Erhaltung der Bodenfunktionen ausgerichtet sind." Die Forscher schlagen vor, die Land- und Forstwirtschaft in Richtung einer standortangepassten Bewirtschaftung weiterzuentwickeln, die sich an der Bodenqualität orientiert. Der Gehalt an organischer Bodensubstanz soll dabei als zentraler Indikator in die Landwirtschaftspolitik aufgenommen werden.
Moorböden nicht nutzen
Den grössten Verlust an organischer Bodensubstanz verzeichnen entwässerte Moorböden. Weil als Folge der Entwässerung CO2 entweicht, stellen sie die grösste CO2-Quelle in der Landwirtschaft dar. Gleichzeitig sind sie – beispielsweise für den Gemüsebau – von grossem ökonomischem Wert.
Forschende des NFP 68 haben gezeigt, dass eine nachhaltige Bewirtschaftung dieser Böden nach heutigem Wissensstand nicht möglich ist. Das NFP 68 empfiehlt daher eine grundsätzliche politische Diskussion zur künftigen Nutzung dieser Böden. Angesichts der Klimarelevanz von Lachgas gilt es aber auch den Stickstoffeintrag in der Landwirtschaft weiter zu reduzieren.
Nachholbedarf bei der Kartierung
Damit Raumplanerinnen und Raumplaner die Qualität der Böden besser berücksichtigen können, braucht es jedoch auch die entsprechenden Bodendaten für die fraglichen Flächen. Da gibt es jedoch riesigen Nachholbedarf: Solche Daten sind nur für 10 bis 15 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche verfügbar.
Um das zu ändern, entwickelten die Forschenden im Rahmen des NFP68 die Bodeninformations-Plattform Schweiz, die eine landesweite Kartierung der Bodenqualität nach modernen Standards innert der nächsten zwei Jahrzehnte ermöglichen soll.
10 bis 25 Millionen Franken pro Jahr
Die Kosten für die Umsetzung dürften sich während dieses Zeitraums auf 10 bis 25 Millionen Franken pro Jahr belaufen, schrieb der SNF. Allerdings sparen diese Bodendaten an anderer Stelle wieder Kosten ein, da sich die Bodennutzung damit effizienter gestalten lasse, zum Beispiel in Sachen Bewässerung und Düngung in der Landwirtschaft, bei der Trinkwasserversorgung oder bei der Vorsorge gegen Naturgefahren wie Hochwasser und Erdrutsche.
Boden ist in menschlichen Zeiträumen nicht erneuerbar, heisst es eindrücklich in der Abschlusszusammenfassung des NFP68. Um ihn mit seinen wertvollen Funktionen für die Allgemeinheit zu erhalten, brauche es ein grösseres Engagement seitens der Politik für seine nachhaltige Nutzung und eine bessere Zusammenarbeit und Koordination zwischen Umwelt- Agrar- und Raumplanungsfachleuten.