Das Gesamtvolumen der Eis- und Gesteinsablagerungen am Talboden bezifferte der Kanton auf zehn Millionen Kubikmeter. Im Verlauf des Morgens näherte sich der Seepegel dem oberen Rand der Schuttmasse. Die Behörden erwarteten, dass der aufgestaute See im Tagesverlauf überfliesst. Im Hinblick darauf erhöhten sie die Auffangkapazität des Stausees Ferden ab.
Je mehr Wasser sich seinen Weg durch die 2,5 Kilometer langen Schuttmassen bahnen kann, desto geringer wird die Katastrophengefahr eines plötzlichen Ausbruchs, wie der Walliser Kantonsgeologe Raphaël Mayoraz am Freitagmorgen im Westschweizer Radio RTS sagte.
So präsentiere sich die aktuelle Situation als ziemlich günstiges Szenario dar. Den verantwortlichen Stellen sei indessen bewusst, dass sie die Lage genauestens beobachten müssen.
Lage zu instabil
Wegen der Risiken und der geologischen Instabilität sind aktuell keine Einsätze im Katastrophengebiet möglich, wie die Staatskanzlei weiter schrieb. Die Armee steht mit Wasserpumpen, Baggern, weiteren schweren Räumgeräten und Beleuchtungsmaterial bereit. Ebenso im Einsatz sind Fachleute von spezialisierten Ingenieurbüros, 50 Zivilschutzangehörige und rund 100 Feuerwehrleute.
Die Kantonsstrasse von Goppenstein nach Blatten bleibt gesperrt. Ausnahmen gibt es für Anwohnerinnen und Anwohner sowie Einsatzfahrzeuge. Das kantonale Führungsorgan analysiert die Lage laufend und steht im Kontakt zu den regionalen Führungsstäben.
Lange anhaltende Evakuierungsbereitschaft
Bis am Freitagmorgen haben 365 Menschen ihre Wohnungen verlassen müssen. Der regionale Führungsstab hatte die Bevölkerung der talabwärts liegenden Dörfer Gampel und Steg am Donnerstagabend aufgerufen, sich für eine rasche Evakuierung vorzubereiten. Die Behörden befürchteten einen Murgang, falls der aufgestaute See, der sich nach dem Abbruch des Birchgletschers gebildet hatte, überlaufen sollte.
Die zuständigen Stellen blieben in Alarmbereitschaft. Die Gemeinden im Lötschental unterhalb von Blatten sowie Orte im Rhonetal bereiten sich auf einen Ernstfall vor. Sie errichten Dämme und die Bevölkerung soll sich auf eine mögliche Evakuierung vorbereiten. Die Evakuierungsbereitschaft der Bevölkerung dürfte noch wochenlang nötig sein, schätzte Mayoraz. Es dürfte lange dauern, bis sich der Fluss Lonza eine relativ stabile Rille durch die Trümmermassen gegraben hat. Das Risiko, das sich Wasser aufstaut, bleibe bestehen.
Unberechenbare Schlammmassen
Die Alarmbereitschaft dürfe nicht nachlassen, solange nicht sicher sei, dass die Gefahr gebannt ist, sagte der Kantonsgeologe. Die Möglichkeit, den oberhalb der Trümmermassen aufgestauten See abzupumpen, besteht nach seinen Worten weiterhin. Das wurde beim Bergsturz von Randa VS 1991 gemacht.
Allerdings gibt es gemäss Mayoraz einen Unterschied: In Blatten sind es keine festen Gesteinsblöcke, auf welchen die Einsatzkräfte und ihre Maschinen Halt finden. Vielmehr sind die Katastrophenhelfer mit einer Art Schlamm konfrontiert, in dem die Bewegung und der Einsatz von Maschinen schwierig sind. Mit der Zeit werde die Masse trocknen, das dauere aber lange, erklärte Mayoraz.