Alle plädierten sie auf der Domaine de Châteauvieux in Satigny GE für ein Ja zum Verfassungsartikel über die Ernährungssicherheit am 24. September: der Bundesrat, der Ständerat, der Nationalrat und Bauernverbandsdirektor, der Staatsrat, die Bäuerin und der Küchenchef.
Es war Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der den Reigen der Redner eröffnet. Er sagte: «Der Verfassungsartikel ist ein gesamtheitliches Konzept, das buchstäblich von der Heugabel bis zur Essgabel reicht.» Er setze Akzente bezüglich Kulturlandschutz, Nachhaltigkeit, Marktorientierung und Food Waste. Die Ernährungssicherheit sei für die Schweiz heute gegeben. Für die Zukunft sei das weniger sicher. Deshalb gelte es mit diesem Artikel, die Zukunft vorzubereiten.
440'000 ha Fruchtfolgefläche erhalten
Auf eine Frage des «Schweizer Bauer» gab der Magistrat, der in seinem Referat den Kulturlandschutz erwähnte, eine bemerkenswerte Antwort. «Sind Sie denn wirklich bereit, der fortlaufenden Zerstörung des Kulturlands durch die Bauwirtschaft Einhalt zu bieten? Wo liegt für Sie das quantitative Minimum an Kulturland für die Schweiz?» Die Basis der ganzen Landwirtschaft sei das Kulturland, antwortete der Bundesrat.
Dieses müsse für die Landwirtschaft erhalten bleiben, und zwar mindestens im heutigen Umfang, was 1 Million Landwirtschaftliche Nutzfläche und 440'000 Hektaren Fruchtfolgefläche entspreche. Er erwarte vom Schweizer Volk und von den Schweizer Behörden, dass Sie diesen Mindestumfang respektierten. Von einem freisinnigen Ex-Baumaschinen-Industriellen sind solch klare Worte nicht unbedingt zu erwarten – wobei die Ankündigung einfacher zu machen ist als die harte Umsetzung.
«Auf Importe angewiesen»
Zu den vieldiskutierten «internationalen Handelsbeziehungen» sagte der Bundesrat im Referat, die Schweiz sei auf Importe von Nahrungsmitteln und landwirtschaftlichen Hilfsstoffen wie Maschinen, Diesel, Dünger angewiesen. Deshalb sei es für die Ernährungssicherheit der Schweiz essentiell, mit den anderen Ländern gute Handelsbeziehungen zu unterhalten. Nicht zuletzt ermögliche dies auch den Export von Schweizer Spezialitäten, von denen er das Bündner Fleisch erwähnte (das aber für den Export sehr oft auf importiertem Fleisch beruht).
Abkommen mit Indonesien kommt wohl
Eine Frage einer Medienvertreterin an den Bundesrat bezog sich auf den inländischen Raps, der durch ein Freihandelsabkommen mit den Ländern Malaysia und Indonesien bedroht. Schneider-Ammann betonte auf höfliche Art und Weise, dass der Wohlstand des ganzen Landes, zu dem die offenen Märkte viel beitrügen, wichtiger seien als die Sorgen der Raps-Bauern. So sagte er es nicht gerade. Aber er begann seine Antwort gleich mit dieser Denkfigur.
Und dann betonte er, wie ihm der indonesische Präsident vor vier Wochen gesagt habe, Indonesien habe bereits eine Mittelschicht von 40 Millionen Personen und bald seien es noch viel mehr, die an Schweizer Qualitätslebensmitteln interessiert seien. Dafür müsse die Schweiz halt ein bisschen mehr Palmöl aus Indonesien ins Land lassen, so der Präsident Indonesiens zum Bundesrat. Aber, so betonte der Bundesrat, er sei sehr bemüht, eine gute und verträgliche Lösung auszuhandeln, wie das beim Abkommen mit China gelungen sei. Er sei kein Fanatiker des Freihandels, ein Abkommen müsse immer als Ganzes sinnvoll und nachhaltig sein.
«Autarkie geht nicht»
Nationalrat Jacques Bourgeois (FDP, FR) und Bauernverbandsdirektor sagte: Alle Parteien, das Parlament und der Bundesrat haben begriffen, dass die heutige Verfassung nicht ausreicht, um die zukünftige Ernährungssicherheit der Schweiz zu sichern. Zu den Handelsbeziehungen sagte Bourgeois: «Der Buchstabe d des Verfassungsartikels unterstreicht mit den grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen, die zur nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft beitragen, dass die Schweiz nicht autark sein kann.» Es brauche den Import. Aber die inländische Produktion bleibe ein wichtiger Pfeiler der Ernährungssicherheit. Und er betonte: «Der Verfassungsartikel soll nicht den Freihandel, sondern den fairen Handel fördern.»
Nachhaltigkeit gefällt dem Grünen
Ständerat Robert Cramer (Grüne, GE) betonte, dass das Prinzip Nachhaltigkeit nicht nur für die einheimische Produktion gelte, sondern auch auf Importe bezogen werde. Diese müssten ausdrücklich zur Nachhaltigkeit der Land- und Ernährungswirtschaft beitragen. Den Kollegen der Welthandelsorganisation WTO müsse man in Erinnerung rufen: Es darf keine Handelsliberalisierung geben, die nicht gerecht sei. Das heisse: Die Bauern müssten von der Lebensmittelproduktion in Würde leben können und die Umwelt dürfe nicht zerstört werden.
Regio-Label ist wertvoll
Staatsrat Luc Barthassat (CVP) betonte: Genf ist durchaus auch ein Kanton der Landwirtschaft. Sie beschäftige 1636 Personen und stelle Produkte im Wert von 150 Millionen Franken her. Die Garantie-Marke «Genève Region – Terre Avenir» sei einzigartig für die Schweiz und spanne den Bogen vom Bauern bis zum Detailhandel. Der Kanton Genf könne sich wegen seiner Kleinheit nur zu einem Viertel selbstversorgen mit Lebensmitteln.
Das Ziel sei nicht, mehr zu produzieren, sondern dieses Viertel zu erhalten, indem auf Qualität, Echtheit und Regionalität gesetzt werde. Er schloss mit den Worten: «Ein Ja am 24. September erlaubt zukünftigen Generationen den Zugang zu lokalen Produkten, die mit Respekt für die Umwelt hergestellt werden.»
Bäuerin schenkte ihm ein Brot
Patricia Bidaux, Präsidentin der Vereinigung der Genfer Bäuerinnen und Landfrauen, erinnerte daran: «Es gibt nur eine Erde, die uns ernähren muss.» Gemeinsam müsse man sich um diese kümmern. Ohne Landwirtschaft gebe es keinen Weizen, keinen Müller, keine Bäckerei, folglich kein Brot. Einige sagten, man könne dieses aus Europa holen. Für sie sei das nicht die Lösung.
Es gehe auch um Vielfalt und darum, dass man nur bei lokaler Produktion mitreden könne. Sie sagte auch, es sei eine Freude, auszusäen, das Wachstum zu beobachten und dann zu ernten. Als Symbol überreichte sie dem Bundesrat ein Brot aus lokalem Weizen.