Unter dem Motto «Bürogummi wird Bauer» hat Sebastian Hagenbuch sein zweites Lehrjahr in seiner Zweitausbildung als Landwirt in Angriff genommen. Er berichtet in seinem Blog regelmässig über seine Ausbildung.
Wer die Schweiz einmal für längere Zeit verlassen und dies nicht mit dem Privathelikopter auf dem Weg nach Monte Carlo getan hat, der weiss es: Wir leben hier auf einem Eiland der Ordnung und des Wohlstandes, während rund um uns das Meer der Globalisierung und des Kapitalismus mehr oder weniger hohe Wellen schlägt und auch seine Opfer fordert.
In dieser Mini-Welt Schweiz gibt es noch den Mikrokosmos Landwirtschaft, und so schön die Identifikation mit dem eigenen Betrieb ist, so gefährlich ist auch die drohende Blindheit vor den Entwicklungen in der landwirtschaftlichen Welt ausserhalb der Schweiz. In der Ausbildung an der Liebegg gibt man sich Mühe, Betriebsblindheit vorzubeugen: Drei Lehrjahre finden in der Regel auf unterschiedlichen Betrieben statt, und in der Berufsschule erhielten wir diese Woche Besuch von Ausserschweizern: Deutsche angehende Meisterlandwirte besuchten die Schule und sprachen kurz über ihre Betriebe und ihre Projekte.
Aufgefallen ist mir einiges: Zunächst natürlich die anderen Dimensionen: Die Zahlen – 120 Hektar Ackerfläche, 20‘000 Puten, 100 Milchkühe – beeindruckten die jungen Schweizer Landwirte. Punkto Grösse konnte man also nicht mit den Gästen mithalten. Dafür waren viele – auch solche, welche in der Pause gerne über die „Tierschützer“ und „Grünen“ wettern – stolz auf unsere Tierhaltungsstandards und die vielseitigen Familienbetriebe. Wobei anzumerken ist, dass es sich auch bei den präsentierten Höfen um Familienbetriebe gehandelt hat, einfach in einer anderen Grössenkategorie.
Markant war zudem, wie in den Meisterarbeiten der Jungelandwirte knallhart und haargenau kalkuliert wurde. Wir hörten einem 20-jährigen zu, der schilderte, wie er die Kälberaufzucht effizienter gestalten wolle. Nach einem 20-minütigen Vortrag war noch mit keinem Wort die Rasse erwähnt (ginge das in der Schweiz?) und es ging einfach darum, Input und Output so zu optimieren, dass letztendlich ein finanzieller Gewinn resultiert. Ein Manager, ein Produzent, ein Betriebsleiter. Für ihn als Bauer heisst es vermutlich: Tier, renn oder stirb. Das ist natürlich nur eine gefühlsmässige Aussage, ich kenne die Verhältnisse (staatliche Unterstützung der Landwirtschaft) in Deutschland praktisch gar nicht und mein Verständnis für die Schweizer Landwirtschaft ist auch noch im zarten Kindesalter.
Einen anderen Eindruck habe ich von den Schweizer Bauern– nicht besser oder schlechter, bloss anders. Hierzulande gestaltet man die Betriebe stärker nach persönlichen Neigungen oder gemäss den Traditionen von älteren Generationen. Ermöglicht wird das, weil der wirtschaftliche Druck dank Direktzahlungen vermutlich um einiges geringer ist als in Deutschland. Wir haben das Idealbild vom Bauern mit dem übersichtlichen und vielseitigen Familienbetrieb anstelle des Managers mit der industriellen Landwirtschaft – gesetzlich verankert und mit allen Vor- und Nachteilen. Mir persönlich als vielleicht angehender Landwirt gefallen die Vorteile und die Möglichkeiten, die sich einem Landwirt in der Schweiz bieten. Und ein Blick über die Landesgrenzen verdeutlicht, dass dies alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.