Unter dem Motto «Bürogummi wird Bauer» hat Sebastian Hagenbuch sein zweites Lehrjahr in seiner Zweitausbildung als Landwirt in Angriff genommen. Er berichtet in seinem Blog regelmässig über seine Ausbildung.
Als Bauernlehrling gelte ich bei einem Grossteil meiner Freunde als Exot – zumindest, was den Beruf betrifft, ansonsten fühle ich mich doch recht normal. Als Exot bin ich manchmal eine Art Geschichtenbuch, das abenteuerliche Storys aus der Welt der Kühe und Traktoren zum Besten geben soll (insbesondere die Berufsschule liefert Stoff vom Feinsten), aber auch ein Lexikon, wenn jemand etwas über die Landwirtschaft wissen will, was ihm oder ihr zu Ohren gekommen ist. Und so finde ich mich dann geschmeichelt, aber ungewollt und nicht selten unterqualifiziert in der Rolle des Lehrers und sollte weise Worte zum Pferdefleischskandal, dem Kalbfleischkonsum, der Bio-Diskussion, der neuen Agrarpolitik oder am besten zur Welternährung finden. Keine leichte Aufgabe…
Früher Steuererklärungen…
Parallelen zu KV-Zeiten sind durchaus vorhanden: Zwar fiel der Exotenstatus eindeutig weg, und doch hatte ich dank meiner Ausbildung auf der Gemeindeverwaltung in gewissen Dingen den Durchblick, wo andere nur ein undurchdringbares Labyrinth aus Paragraphen und Formularen sahen. So durfte ich öfters – üblicherweise nachdem die erste Mahnung verschickt wurde – mit Freunden und Bekannten ihre Steuererklärung ausfüllen. Eine Aufgabe, die mir gefiel, und zwar nicht etwa wegen intimer Einblicke in Bankkonten und Lohnausweise. Nein, es war schön, das Gelernte anzuwenden und damit anderen behilflich zu sein.
… jetzt Fragen rund um die Landwirtschaft
Jetzt ist das ganze oft etwas komplizierter, denn die Anliegen oder Fragen der Kollegen beziehen sich auf sehr diskutable Themen. Es geht bei meinen „Konsumenten-Kollegen“ sehr oft auch um Fragen der Ethik oder der Ökologie im Zusammenhang mit der Landwirtschaft. So ergibt sich häufig eine spannende Diskussion, in deren Weite man sich verliert und längst über Weltanschauungen im Allgemeinen und nicht mehr die Landwirtschaft im Speziellen diskutiert.
Dieses Interesse an der Landwirtschaft oder an der Herkunft unserer Lebensmittel schätze ich sehr und es stimmt mich zuversichtlich. Es ist nötig, über die erste übernommene Parole hinauszudenken (Kühe und Enthornung, Ethik und Tierhaltung, Düngereinsatz etc) und seinen Horizont etwas zu erweitern. Es ist aber auch recht schwierig, diese Themen in den Kontext des grossen Ganzen (was ist es denn eigentlich, dieses grosse Ganze?) zu stellen.
Achtung: Man kann auch zu viel reden. So bin ich doch eigentlich recht froh, dass ich am nächsten Morgen wieder in den Stall gehen und etwas tun kann anstatt nur darüber zu reden, wie es doch eigentlich sein müsste. Und weil man auch zu viel schreiben kann, ist hier Schluss. De Tiere haben nämlich Hunger, und darum brauchen sie etwas zu fressen. So einfach ist das.