Unter dem Motto «Bürogummi wird Bauer» hat Sebastian Hagenbuch eine Zweitausbildung als Landwirt in Angriff genommen. Er berichtet in seinem Blog regelmässig über seine Ausbildung.
Seit ich denken kann gab es am Tisch meiner Eltern oder Grosseltern sehr oft einen ganz bestimmten, fast magischen Moment. Einen Moment, in dem die Spannung greifbar und die Stille bisweilen angespannt war. Einen Moment, im dem man gebannt einer Stimme lauschte, die wesentlich über unsere Zukunft mitbestimmen sollte. Immer um ca. 12 Uhr 23 sprach sie zu uns, und keiner wagte es je, dieser Stimme ins Wort zu fallen, auch wenn nie jemand die womöglich gar nicht so furchteinflössende Gestalt dahinter sah. Nein, es war nicht Uriella, die aus dem Radiolautsprecher zu uns sprach, es war natürlich der Wetterbericht.
Früher, da hatte dieser Moment beinahe etwas Sakrales für mich, besonders dann, wenn ich bei meinen Grosseltern zu Mittag ass. Grossvater drehte den Radio zuverlässig eine Minute vor der Durchsage lauter, und alle wussten, was es geschlagen hat. Auch wenn ich die Anspannung nicht wirklich begriff (mir war’s ziemlich Wurscht wie das Wetter werden würde), so war sie für mich doch auch spürbar. Bis zum Ende des Berichtes wagte man kaum, laut zu schlucken oder mit dem Besteck zu hantieren, und war am Ende irgendwie erleichtert, wenn der Wetterfrosch verstummte und die Tischgespräche wieder in Gang kamen.
Das Zeitalter des Internet hat diese Situation etwas entschärft. Jederzeit können die Landwirte laufend aktualisierte Wetterprognosen online anschauen und ihren Arbeitsplan danach richten, wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass die Macht der Gewohnheit sich bei vielen Bauern nicht so leicht verdrängen liess und der Wetterbericht über Mittag noch immer einen hohen Stellenwert geniesst.
Diese grosse Bedeutung der Wettervorhersage ist angesichts des Wirkungsbereichs des Landwirtes verständlich. Wenn man mit dem Auto ins klimatisierte Büro fährt, wo Temperatur und Luftfeuchtigkeit das ganze Jahr über konstant gleich sind, interessiert der Wetterbericht im besten Fall noch, wenn man einem Hobby nachgeht, das im Freien stattfindet. Als Bauer aber müssen Arbeiten entsprechend dem Wetterbericht geplant und vorbereitet werden. Sonst faulen die Kartoffeln im Boden oder die Kürbisse erfrieren. Und für mich als kälteempfindlichen Menschen ganz wichtig: Der Wetterbericht hilft mir, am Abend vorher das entsprechende Tenü bereitzulegen. Da ist man plötzlich wieder ganz schön froh um Langzeit verpönte Dinge wie lange Unterhosen oder wollige Socken. Oder auch um die Wärme der Kühe, meine körpereigenen Winterreserven und die mittlerweile relativ langen Haare. Denn egal was Meteo sagt: Der Winter wird kommen, von mir aus sogar gern, ich bin gewappnet.