Unter dem Motto «Bürogummi wird Bauer» hat Sebastian Hagenbuch sein zweites Lehrjahr in seiner Zweitausbildung als Landwirt in Angriff genommen. Er berichtet in seinem Blog regelmässig über seine Ausbildung.
Sachen ausprobieren und ungewohnte Wege gehen sind gut für zwei Dinge: Sie geben einem erstens das schöne Gefühl, eigene Spuren im Sand (oder Ackerboden) zu hinterlassen und „sich selbst zu verwirklichen“. Zudem schützt es vor Bequemlichkeit und einem täglichen Trott, aus dem man nur schwer wieder ausbrechen kann.
Ich habe in meinem Leben bereits ein paar Dinge ausprobiert, allerdings (noch) nicht in der Landwirtschaft. Da bin ich erst Anfänger, schaue bei den Grossen, wie’s läuft und denke mir manchmal meinen Teil dazu. So habe ich mir zum Beispiel folgendes überlegt:
Früher, ja früher, da war gewiss nicht alles besser, keine Angst. Aber anders schon. Früher war es beispielsweise leichter, als Landwirt im Bereich Lebensmittelproduktion eine Nische zu finden, ein „exotisches“ Gut zu produzieren wie beispielsweise Spargeln oder Strausseneier. Die Produktionstechnik in diesen Nischen war noch nicht wahnsinnig rationalisiert und professionalisiert, es gab Spielraum für Experimente, Platz für Fehler.
Heute ist das etwas anders: Die Globalisierung macht die Welt klein, Nahrungsmittel aus aller Herren Länder können das ganze Jahr hindurch beim Grossverteiler bezogen werden und der Preisdruck ist relativ gross. Wenn man neu einsteigen will und spezielle Landwirtschaftsprodukte herstellen will, so muss man sofort konkurrenzfähig sein und sich gegen Mitbewerber von nah und fern behaupten. Dafür bieten sich in unserer Wohlstandsgesellschaft dem Landwirt neue Möglichkeiten: Im Bereich der Direktvermarktung oder der Kombination mit einem Event auf dem Bauernhof, wo sich die Kunden zusätzlich zum Lebensmittel einen Erlebnis und einen Bezug zur Nahrung kaufen können, liegt grosses Potential. Auch der Agrotourismus ist ein Tummelfeld der Möglichkeiten für motivierte Landwirte.
Natürlich gibt es auch heute noch viele Tüftler unter den Bauern. Sie konstruieren raffinierte neue Maschinen, züchten besondere Tiere oder schaffen es, spezielle Pflanzen anzubauen. Und doch habe ich irgendwie das Gefühl, der Handlungsspielraum sei kleiner geworden. Die Gesellschaft – und mit ihr sogar die Landwirtschaft – hat sich professionalisiert. Gesucht sind weniger die Generalisten, sondern viel eher die ausgemachten Vollprofis. Für mich etwas ein Problem: Denn es ist die Vielfalt am Beruf, die mich fasziniert, die Abwechslung im Alltag und der ganzheitliche Kreislauf eines Bauernhofs.
Wie ich in Zukunft mit diesem gesellschaftlichen Druck umgehen werde, weiss ich noch nicht. Manchmal träume ich davon, eine zündende Idee zu haben und meine Energie und Leidenschaft in deren Umsetzung zu setzen. Die gute Idee wird auch bestimmt nie aussterben, denn der tolle Einfall von heute ist nicht die gute Idee von Morgen, immer gibt es wieder neue Möglichkeiten, wo sich ein Bauer positionieren kann. Ob und wo mir das einmal gelingt, steht weit weg in den Sternen. Und so schaue ich noch etwas zu den grossen Profis auf und abends einen Moment in die Sterne, wo sie ja vielleicht wartet, die zündende Idee.


