Unter dem Motto «Bürogummi wird Bauer» hat Sebastian Hagenbuch sein zweites Lehrjahr in seiner Zweitausbildung als Landwirt in Angriff genommen. Er berichtet in seinem Blog regelmässig über seine Ausbildung.
Was kommt Ihnen beim Wort Kantinenessen in den Sinn? Bei mir waren das: Missmutig gelauntes Küchenpersonal, lieblose Massenverpflegung, Militär, funktionale Kalorienzufuhr und lauwarmes Essen in Brei-Konsistenz. Woher genau dieses Klischee stammt, kann ich nicht einmal genau sagen. Ich weiss nur mit Bestimmtheit, dass das Liebegger Küchenteam mich nun eines Besseren gelehrt hat.
Seit Beginn meiner Schultage an der Liebegg freue ich mich jedes Mal auf den Mittag – nicht (nur) wegen der Pause, sondern vor allem auch wegen des guten Essens. Für läppische 11 Franken bekommen wir Lehrlinge einen Salat, Suppe und ein Menü mit Fleisch – à Discretion (was in meinem Fall ziemlich wichtig ist) und oft sogar noch mit einem Dessert obendrauf. Zu trinken gibt es Süssmost und Tee soviel man will. Nun ist aber Salat nicht gleich Salat und Suppe nicht gleich Suppe: Täglich ändert das Menü, häufig gibt es kleine Details und Spielereien zu den Speisen.
Hier zwei Beispiele von nächster Woche:
Schweinshuftschnitzel an einer Pilzrahmsauce
Schwingerhörnli
Rübliduo
Brüsselersalat mit Mandarinen
Oder:
Kalbshamburger an einer Pfeffersauce
Polenta
grüne Bohnen
Randensalat
Verpöntes Vegimenü
Zudem gibt es die Menüs immer auch in einer vegetarischen Variante. Hierzu ein kurzer Einschub: In meiner Klasse sorgt es schon einigermassen für Aufsehen, wenn man das Gemüse isst, ohne dabei zu motzen. Richtige Empörung schwappt einem aber erst entgegen, wenn mal einmal aus Lust auf Frühlingsrollen das Vegi-Menü wählt. Eine Mahlzeit ohne Fleisch? Undenkbar.
Kulinarische Erziehung
Das auffällig gut gelaunte Personal gibt sich auch beim Anrichten der Speisen einige Mühe. Eigentlich nimmt das Küchenteam eine kulinarische Erziehungsaufgabe wahr: Wäre die Menüplanung den Lehrlingen überlassen, würden sie täglich Pommes Frites und Bratwürste oder Hamburger in Rekordzeit verschlingen, um sich möglichst rasch wieder Handy, Energydrink, Zigarette und Töggelikasten zuzuwenden. Gesunde Ernährung oder Essen mit Stil: Kein Thema. Der Küche könnte es egal sein: Ihr Aufwand ist für Schnipo weitaus geringer als für die jeweiligen Menüs. Zum Glück ist es ihr aber nicht egal.
Persönlich finde ich es wichtig, dass man als Produzent von hochwertigen Nahrungsmitteln auch Freude am Essen hat und das hin und wieder ein wenig zelebriert. Die Schweizer Landwirte können sich ja auch kaum über die Menge, sondern eher über die Qualität ihrer Produkte profilieren. Und Qualität sollte man einigermassen schätzen und geniessen.