Unter dem Motto «Bürogummi wird Bauer» hat Sebastian Hagenbuch eine Zweitausbildung als Landwirt in Angriff genommen. Er berichtet in seinem Blog regelmässig über seine Ausbildung.
Seien wir mal ehrlich: Heutzutage (ich hätte nie gedacht, dieses Wort in meinen jungen Jahren zu verwenden…) kommt man auch oder gerade dann ganz gut durch’s Leben, wenn man keine Ahnung von Handarbeit oder der Herkunft landwirtschaftlicher Produkte hat. Wer im Büro angestellt ist, erhält Ende Monat seinen Batzen, womit er oder sie alles bezahlen kann, was man so zum Leben braucht: Miete, Möbel, Most und Müesli. Die Möbel werden für ein entsprechendes Entgelt nach Hause geliefert und fixfertig zusammengeschraubt, und auch eine Küche kann gespart werden, wenn nebenan Kebapstand und Asia-Imbiss mit günstigen Menüs locken. Ja, es ist möglich, seine Grundbedürfnisse nur über Geld zu befriedigen. Oder sagen wir besser: Zu stillen, denn befriedigt hat mich das in letzter Zeit ganz und gar nicht.
Oft werde ich gefragt, ob ich denn eigentlich den Hof meiner Eltern übernehmen möchte. Diese Frage ist für mich noch zu weit weg, als ich eine Antwort darauf hätte. Die Reize an der Ausbildung sind anderer Natur: Ich will durch das praktische Arbeiten eine bestimmte Selbstständigkeit erreichen, die mir das Gefühl von Unabhängigkeit und ja, auch Freiheit gibt. Wieso arbeiten, um mit dem Lohn die Grundbedürfnisse stillen zu lassen, anstatt meine Energie direkt in diesen lebensnotwendigen Bereich investieren? Mich erdet derzeit das Melken und Umsorgen der Tiere, die Ernte der Kürbisse oder das Einwintern der Dahlien. Der Reiz ist gross, vieles zu lernen, was ich bislang trotz bäuerlicher Herkunft versäumt habe: Alles rund um die praktische Arbeit. Dazu gehört auch ein handwerkliches Grundgeschick: Maschinen und Gebäude müssen repariert oder neu erstellt, gewartet oder umgebaut werden.
Mein Privileg während der Lehre ist es, dass ich mir noch nicht den Kopf über das finanzielle Überleben eines Betriebes zerbrechen muss und mich daher vermehrt auf das Handwerk konzentrieren kann. Ein echter Vorteil, denn – wer kennt es nicht – dieser Erfolgsdruck kann besonders in härteren Zeiten schnell einmal auf die Laune schlagen und auch den Bauern ins Grübeln bringen. Dass ich mich in der Schweiz der Frage der Finanzen früher oder später stellen muss, scheint klar. Denn soviel glaube ich von der Schweizer Landwirtschaft bereits begriffen zu haben: Der wirtschaftliche Erfolg eines Bauern hängt in erster Linie von seinem unternehmerischen Denken und weniger von seiner handwerklichen Begabung ab. Über die Mittel und Wege eines Bauern, seinen Batzen zu verdienen, wird vorerst aber nur am Feierabend geplaudert, und tagsüber heisst es für mich zum Glück: Anpacken statt grübeln!
Anpacke tue ich seit neustem übrigens in Vechigen. Weil der letzte Hof und ich nicht zusammengepasst haben, suchte ich während der Herbstferien einen neuen Lehrbetrieb – und wurde glücklicherweise bei der Familie Hodel fündig. Ich fühle mich wohl und freue mich, auf diesem vielseitigen Betrieb (Milchkühe, Mastschweine, Spargeln, Kürbisse, Kartoffeln, Schnittblumen und ganz schön viel Direktvermarktung) Erfahrungen in vielen Bereichen rund um die Landwirtschaft zu erhalten.
Zur Person
Sebastian Hagenbuch ist zwar auf einem Bauernhof aufgewachsen, musste aber dennoch 23 Jahre alt werden und mit dem Velo bis nach Istanbul fahren um zu merken, dass ihn Kühe und Traktoren mehr anziehen als die bislang vertraute Arbeit im Büro. Eine vertraute Welt entdeckt er in seiner Zweitausbildung völlig neu – und lässt Sie in seinem Blog daran teilhaben.