Unter dem Motto «Bürogummi wird Bauer» hat Sebastian Hagenbuch sein zweites Lehrjahr in seiner Zweitausbildung als Landwirt in Angriff genommen. Er berichtet in seinem Blog regelmässig über seine Ausbildung.
Hinter einer landwirtschaftlichen Lehre steckt mehr als das Erlernen des Bauernhandwerks. Viel mehr. Man stelle sich die Situation für einen normalen Lehrling vor: 16-jährig, die obligatorische Schulzeit vorbei, hoffentlich lauter Flausen im Kopf, lange Sommerferien hinter sich, die Lehre steht vor der Tür: Plötzlich findet man sich in einer fremden Familie wieder, an einem Ort, wo nichts vertraut ist, in einem Alter, wo so viel entscheidendes passiert.
Tagwache kurz vor 6 Uhr, Arbeit bis zum Abwinken, nur ein müder Körper verhindert, dass man sich allzu viele Gedanken macht. Da können sich die Lehrbetriebe einem mit Sicherheit nicht entziehen: Der sozialen Verantwortung, die sie gegenüber den Lehrlingen tragen.
Für einen jugendlichen Menschen kann es mitunter entscheidend sein, was er aus seiner Lehrzeit im Alter von 16 bis 18 mitnimmt. Gewinnt er an Selbstvertrauen, macht er positive Erfahrungen mit fremden Menschen, welche Regeln und Normen hat er im neuen Daheim erlebt und wie stand er ihnen gegenüber? Was bedeuteten Anstand, Rücksichtnahme, Toleranz, Fairness? Wie lebte man auf dem Lehrbetrieb, wie wurde gestritten und diskutiert, welche Dinge waren Tabu, wo lagen die Grenzen, wie ging man mit Emotionen um? Wie erzog die Bauernfamilie ihre Kinder, wie organisierte man sich seine Freizeit, wie gestaltete man den Tagesablauf? Es sind so viele Dinge, die da auf einmal auf die Jungbauern einprasseln, dass es nicht erstaunt, dass es dem einen oder anderen zu viel wird.
Häufige Lehrstellenwechsel
Nicht wenige meiner aktuellen und ehemaligen Schulkollegen – vor allem die jüngeren – haben Lehrbetriebe wechseln müssen, in der Regel aufgrund zwischenmenschlicher Probleme. Und das nicht etwa, weil es sich um übersensible Büblein gehandelt hätte. Aber so einen Hauch von Nestwärme haben selbst die lautesten und wildesten Jungspunde nötig.
Ich will nicht behaupten, dass es nur an den Lehrbetrieben gelegen habe. Aber im Gegensatz zu den „Stiften“ hat ein Lehrbetrieb aufgrund der Erfahrung eine Ahnung davon, welche Verantwortung er gegenüber dem Leben dieser jungen Menschen trägt.
Vom Lehrling zum Meister?
Diese Aufgabe anzunehmen ist die Pflicht eines jeden Lehrbetriebes. Die Pflicht der Lehrlinge ist es, offen, flexibel und neugierig zu sein. Das habe ich jetzt bald 2 Jahre versucht. Aber bereits vor Abschluss meiner Ausbildung weiss ich: Für mich ist auch der andere Part eine schöne und erfüllende Vorstellung: Einem jungen Menschen etwas auf seinen Lebensweg mitgeben, was ich für wichtig und richtig erachte. Gemeinsam weiterkommen. Dass man das vielleicht nicht jeden Tag so enthusiastisch sieht, wenn man selber noch 4 eigene Kinder, haufenweise Arbeit und Verpflichtungen hat, leuchtet schon ein. Aber so ein Bisschen Freude an der umfassenden Ausbildung und Begleitung von Menschen sollte schon auch dabei sein. Sonst ist’s für die Katz.