Unter dem Motto «Bürogummi wird Bauer» hat Sebastian Hagenbuch sein zweites Lehrjahr in seiner Zweitausbildung als Landwirt in Angriff genommen. Er berichtet in seinem Blog regelmässig über seine Ausbildung.
Nach nun über einem Jahr in der Landwirtschaft wird es Zeit, in diesem Blog endlich eines der heissesten Eisen anzufassen, die es im Berufsstand gibt. Es handelt sich um den Röschtigraben der Schweizer Landwirtschaft, für viele gleichbedeutend mit Sein oder nicht Sein: Es ist klar, es geht um die Frage: To bio or not to bio?
Ich geb’s ganz gerne zu: Es war eine ordentliche Portion Idealismus, welche mich in die kunterbunte Wunderwelt der Schweizer Landwirtschaft gebracht hat. Der Bio-Gedanke war Teil dieses Idealismus. Basierend auf Halbwahrheiten und beeinflusst von Werbung und Medien habe ich mir einigermassen unbewusst eine Art Bild aus gut und böse, bio und konventionell, Welt retten oder kapitalistisches Wirtschaftssystem stützen aufgebaut. Den Idealismus habe ich mir glücklicherweise bewahrt, er ist aber nicht von Bio oder nicht Bio abhängig.
Nach gut einem Jahr Berufserfahrung sieht die Welt für mich ziemlich anders aus. Bio oder nicht ist gerade eher ein Nebenschauplatz. Ich bin mit grosser Freude bei der Arbeit mit meiner lebendigen Umwelt beschäftigt, wo ich eingreife, gestalte, beobachte, auf dem Bio-Betrieb von Donat Abbt ebenso wie zuvor auf dem ÖLN-Betrieb von Peter Hodel in Vechigen. Dass der Bio-Graben aber nach wie vor Realität ist, spüre ich wöchentlich.
Da wäre Mal das private Umfeld: Einige Menschen (nicht aus der Landwirtschaft stammend) wollen wissen, ob ich eigentlich eine Lehre als Bauer oder Bio-Landwirt absolviere. Es scheint für viele ein grundlegender Unterschied zu sein, entweder man ist Helfer der Grosskonzerne und Umweltvergifter oder aber friedfertiger, im Einklang mit der Tieren und Blumen lebender Gutmensch.
Dann die Schule: Wehe dem (also mir), der im Unterricht eine Frage stellt, welche mit: „Was müsste ich auf einem Bio-Betrieb in diesem Fall…?“ beginnt. Die „Meinung“ der meisten ist gebildet und wird lauthals kundgetan: Bio ist Schwachstrom für Weicheier, Blacken stechen den ganzen Tag und Hanf im Treibhaus grossziehen, damit hat sich’s. Einmal mehr drängt sich ein Vergleich zum KV auf. Alle meiner Klassenkameraden arbeiteten im kaufmännisch-administrativen Bereich, die Branchen waren jedoch ganz unterschiedlich und auch die täglich eingesetzten Computer waren nicht dieselben. Doch wäre es niemanden im den Sinn gekommen, die Kaufmänner und –frauen nach „Apple-“ oder „Windows-Kaufleuten“ zu unterscheiden.
Hier könnte in meinen Augen die Schule ansetzen, den Bio-Graben zu ebnen und die Wogen etwas zu glätten. Anstatt eine separate Bio-Schule (Bio-Schwand in Münsingen) wäre es doch wünschenswert, wenn die Klassen gemischt und der Unterricht darauf ausgelegt wäre, dass man beide Systeme kennenlernt, diskutiert, vergleicht, sich austauscht und dadurch dann hoffentlich merkt, dass es sich bei der „to bio or not to bio“-Frage nicht um einen Glaubenskrieg oder eine andere Art Mensch handelt, sondern um ein anderes System, nach welchem Lebensmittel produziert und vermarktet werden.
Der Idealismus des Bauern, seine Einstellung zum Leben, sein Umgang mit Tieren und Pflanzen, seine Art und sein Charakter, seine Arbeitsmotivation: Dies alles lässt sich nicht einfach mit einer Knospe oder einem ÖLN-Siegel markieren. Da muss man sich schon die Mühe machen, den Menschen hinter der Maske kennenzulernen, und was man dort sieht, ist für mich entscheidender als Bio oder nicht.
Ich bin froh, dass ich meine beiden Lehrjahre auf einem „normalen“ und einem Bio-Betrieb absolvieren werde. Es ist spannend, beide Seiten kennenzulernen, Vorteile und Nachteile gegeneinander abzuwägen und langsam zu verstehen, wovon überhaupt genau die Rede ist. Es wirkt präventiv genauso gegen „to bio to fail“ wie gegen „Gift ist geil“.