Unter dem Motto «Bürogummi wird Bauer» hat Sebastian Hagenbuch eine Zweitausbildung als Landwirt in Angriff genommen. Er berichtet in seinem Blog regelmässig über seine Ausbildung.
Vorbei ist die Zeit, wo ich aufstand, im Büro vor den Computer hockte und abends ins Volleyballtraining stresste, um nebst dem Kopf auch noch den Körper zu ermüden. Seit dem helvetischen Nationalfeiertag heisst es für mich Kühe melken, Kartoffeln ernten und schlafen gehen, weil der Körper nach den ungewohnten Strapazen des Tages sich nach Erholung sehnt. Die Zweitausbildung zum Landwirt hat begonnen. Schon in den ersten Tagen hat mich meine Vergangenheit jedoch eingeholt.
Da ich auf dem Biohof Heimenhaus bei Beat und Kathy Hänni das Projekt «Bürogummi wird Bauer» in Angriff nehme und dort ein Zimmer habe, musste ich mich in der politischen Gemeinde Kirchlindach als Wochenaufenthalter anmelden. So stand mir gleich zu Beginn meiner Zweitausbildung der Gang an den Ort bevor, wo ich meine erste Lehre absolvierte: Die Gemeindeverwaltung. Dass diese Tätigkeit nur wenig mit dem Bauern zu tun hat, spürte ich spätestens, als ich um 11.32 Uhr vor verschlossenen Türen stand: Pünktlich um 11.30 Uhr wird geschlossen, bevor die Bürger ab 14.00 Uhr wieder bedient werden – dies, obwohl die Angestellten sich im Büro aufhalten. Auf die Kühe und Kälber auf dem Hof muss da auf jeden Fall flexibler reagiert werden. Man stelle sich vor: Es ist 18 Uhr, die Kuh hat Hunger und man versucht ihr zu erklären, dass der Fütterungsdienst leider erst am nächsten Tag wieder im Einsatz stehe.
Handwerk statt Ikea
Auf Hännis Hof wird möglichst viel selbst gemacht: In der hofeigenen Molkerei wird die Milch vorzu verkäst oder in Joghurt umgewandelt, das Gemüse wird direkt verkauft beziehungsweise zur Konservierung getrocknet oder eingelagert und auch für Reparaturen wird vor dem Anruf an den Spezialisten selbst Hand angelegt. So hiess es für mich beim Einzug: Handwerk statt Ikea! Aus einem alten Möbellager stellte ich mir das Interieur meines Zimmers zusammen, konnte einen alten Tisch abschleifen und einölen und schöne Bauernmöbel von Spinnweben befreien. Auf jeden Fall ein gutes Gefühl, jetzt an dem Tisch, der durch die eigenen Hände gegangen ist, diese Zeilen zu schreiben.
Angekommen in der Welt der Kühe und Traktoren
Definitiv angekommen im neuen Leben bin ich heute mit dem ersten Schultag. Nach erst zwei Wochen haftet den Pausengesprächen rund um Kühe und Traktoren noch ein gesunder Hauch Exotik an. Ein schmunzeln huscht überm ein Gesicht bei der Vorstellung, wenn mich meine ehemaligen KV-Kollegen jetzt sehen könnten. Die Landwirtschaft ist in den Gesprächen omnipräsent. Man spürt, dass für diese Menschen, die auf dem zweiten Bildungsweg zur Landwirtschaft gelangen, das Bauern mehr ist als eine Pflichterfüllung. Sie durchdringt den Alltag und zieht die meisten so sehr in ihren Bann, dass sie nicht mehr zurück möchten zu geregelten Arbeitszeiten, bequemem Arbeitsplatz und – zumindest in meinem Fall – flackerndem Bildschirm. Es zieht sie hinaus, an die frische Luft, zu Tieren und Pflanzen, und abends ins Bett, wo ein müder Körper sich über gesunden Schlaf erfreut. Gute Nacht!
Zur Person
Sebastian Hagenbuch ist zwar auf einem Bauernhof aufgewachsen, musste aber dennoch 23 Jahre alt werden und mit dem Velo bis nach Istanbul fahren um zu merken, dass ihn Kühe und Traktoren mehr anziehen als die bislang vertraute Arbeit im Büro. Eine vertraute Welt entdeckt er in seiner Zweitausbildung völlig neu – und lässt Sie in seinem Blog daran teilhaben.