Unter dem Motto «Bürogummi wird Bauer» hat Sebastian Hagenbuch eine Zweitausbildung als Landwirt in Angriff genommen. Er berichtet in seinem Blog regelmässig über seine Ausbildung.
Wenn sich Bauern treffen, ist immer etwas los. Bauern kommen sofort miteinander ins Gespräch. Sie tauschen sich aus über die Geschehnisse auf dem Hof, den Zustand des Weizens, den Pegel der Gülle in der zu kleinen Grube, die Verfassung der Lieblingskuh oder die Missgeschicke des Lehrlings. Sofort herrscht eine entspannte Stimmung, wie mir das zu KV-Zeiten selten passiert ist.
Den Büromenschen ganz plump eine asoziale Ader zu unterstellen, läge mir fern, also auf die Suche nach anderen Gründen für den Vorsprung, den die Landwirte punkto zwanglosen Austauschs mit ihren Berufskollegen haben. Die Bauern haben als kleine Minderheit in der Bevölkerung den Vorteil, dass sie sich untereinander kennen und als Branche stark zusammengeschweisst sind.
Trotz all der Unterschiede auf den einzelnen Betrieben (Milchvieh-, Schweinemast-, Gemüse-, Obstbetriebe um nur einige zu nennen) haben Bauern genügend Gemeinsamkeiten, die eben dafür sorgen, dass sie eine Art heterogene Einheit bilden. Sie alle arbeiten tagtäglich mit Lebendigem zusammen. Sie versuchen, in ihrem Bereich die Gesetzmässigkeiten der Natur zu verstehen und so einzugreifen, dass der Ertrag möglichst gross wird. Sie sind als Betriebsleiter selbstständige Unternehmer. Sie müssen sich einem sehr dynamischen Umfeld und Markt behaupten. Sie arbeiten sowohl körperlich als auch geistig. Und sie beziehen in aller Regel Direktzahlungen vom Schweizer Staat, was mit ein Grund ist, weshalb die wachsamen Augen der Öffentlichkeit auf ihren Berufsstand gerichtet sind. Diese Gemeinsamkeiten reichen aus, damit die Bauern sich eben als Bauern und nicht bloss als Mutterkuhhalter oder Geflügelmäster sehen.
Etwas anders sah das schon aus im KV: Man war Banker, arbeitete auf der öffentlichen Verwaltung, bei einer Versicherung, einem Telefonanbieter oder im Büro eines Handelsunternehmens: Die Tätigkeiten ähnelten sich zwar durchaus (Computer, Administratives, Datenverwaltung, Korrespondenz), und doch fühlt sich wohl kaum ein Büro-Arbeiter als Teil der imaginären „KV-Familie“. Es ist natürlich auch leichter, Teil der Bauern-Familie zu sein, da diese in ihrer Grösse eher noch einer Familie gleicht. Das äusserte sich sogar an einem Kurs in der Schule, wo der Leiter ganz lapidar meinte: „Wir dutzen uns am Besten alle, schliesslich sind wir bald Berufskollegen.“
Ebenfalls glaube ich, dass die Arbeit im Freien, mit der lebendigen Natur, förderlich für einen ungezwungenen Umgang ist. Wenn sich Kaufmänner irgendwo in einem sterilen Büro treffen, alle in derselben Kleidung, ist es nur verständlich, dass es bisweilen mit der Kommunikation harzt. Die Fassade der Formalität macht ganz vieles kaputt und zwingt den Menschen, in ein Regelkorsett zu schlüpfen, das ihm nur bedingt passt. Zum Glück hatten die Landwirte nie Zeit und Musse, sind allzusehr um solche hinderlichen Formalitäten zu scheren. Man kommt direkter zur Sache, sagt seine Meinung, hat weniger Berührungsängste, kommuniziert unbeschwerter. Und wagt es auch einmal, beim Schreiben zu generalisieren, im Wissen, dass die Welt nicht schwarz oder weiss ist.