Unter dem Motto «Bürogummi wird Bauer» hat Sebastian Hagenbuch eine Zweitausbildung als Landwirt in Angriff genommen. Er berichtet in seinem Blog regelmässig über seine Ausbildung.
Als Landwirt ist man in der Regel selbstständig. Man führt einen Betrieb, ist selbst verantwortlich für die Planung und Ausführung aller Arbeiten und muss sich den unterschiedlichsten Situationen eigenhändig zu helfen wissen. Speziell ist, dass die Ausbildung zum Landwirt wohl die einzig angebotene Berufslehre ist, die einen auf die Selbstständigkeit vorbereiten sollte. Schliesslich ist es das Ziel der meisten Schülerinnen und Schüler, später selbstständig einen Betrieb zu führen, und nicht als Erntehelfer oder Traktorfahrer angestellt zu sein. Im KV hingegen wurde man auf eine Rolle als Arbeitnehmer vorbereitet.
Die Frage ist, inwiefern einem Lehrling die notwendige Selbstständigkeit beigebracht werden kann. Eine Anleitung zum selbstständig sein kann es logischerweise nicht geben, und dennoch ist die Selbstständigkeit etwas, worauf Lehrmeister Peter Hodel in der Ausbildung grossen Wert legt. Gefördert wird das Ganze passiv, beispielsweise dadurch, dass nur das Ziel einer Arbeit gesagt wird. „Die neu gesetzten Bäume in der Weide müssen ausgezäunt werden“. Die Selbstständigkeit kommt zum Zug, wenn ich als Lehrling selber überlegen muss, wie ich die Arbeit genau ausführe. Was ist das genaue Ziel, was ist an Mitteln vorhanden, muss ich noch etwas einkaufen, wie erledige ich die Arbeit am effizientesten. Diese Art der Ausbildung ist elend anstrengend und zwingt mich immer wieder, die Komfortzone zu verlassen und Entscheidungen zu fällen, Situationen richtig einzuschätzen, die Umwelt bewusst wahrzunehmen. Und wenn man halt manchmal Lehrgeld zahlen muss, weil man eine Arbeit zum ersten Mal macht, eine Fehlüberlegung anstellt oder einfach länger daran hat als jemand mit 30 Jahren Berufserfahrung, wird je nach Tagesform auch die Komfortzone des Chefs angetastet.
Und dennoch schätze ich diesen Zwang zur Selbstständigkeit, auch wenn es natürlich unendlich viel bequemer wäre, der Lehrmeister stünde stets an meiner Seite und würde jeden Arbeitsschritt genau vorzeigen und erklären, warum wer was genau tut. Doch am meisten lernt man bestimmt, wenn man selbst auf eine Idee gekommen ist, oder aber auch aus Fehlern. Und diese muss man machen dürfen, wenn Selbstständigkeit Teil der Ausbildung ist. Man kann sie ja zum Glück auch meist selbstständig wieder ausbaden. Und eines ist sicher: Wenn man selbstständig einen Betrieb führt, steht niemand an der Seite um alles vorzumachen.
Auch wenn ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht genau sagen kann, ob meine berufliche Zukunft in der Landwirtschaft liegt oder nicht, so bin ich so oder so ganz sicher, dass diese Ausbildung die Mühe der Lebensschule wegen wert ist. Wer wie ich ab und zu von Freiheit träumt, der sollte Selbstständigkeit erlernen. Der Traum nimmt Formen an, und das Ideal kann zum Ziel werden.