Unter dem Motto «Bürogummi wird Bauer» hat Sebastian Hagenbuch sein zweites Lehrjahr in seiner Zweitausbildung als Landwirt in Angriff genommen. Er berichtet in seinem Blog regelmässig über seine Ausbildung. Nun folgt der letzte Blog von Sebastian als Lehrling. Wie es weiter geht: Lassen Sie sich überraschen.
Zwei Jahre Berufslehre sollen schon vorbei sein? Kaum zu glauben. Eben noch hatte ich das Erfolgserlebnis vom erstmaligen Melken, und schon wird einem ein Eidgenössischer Fähigkeitsausweis in die Hand gedrückt. Dazwischen ist aber gottlob einiges passiert. Zum Beispiel:
- 24 Blogs geschrieben
- 18 Mal ins Emmental und wieder zurück gependelt
- 542 Mal ohne Motivationsprobleme am Morgen aufgestanden
- Nie verschlafen
- Nie krank gewesen (ausser in den Ferien)
- 2 Rückspiegel und ein Förderband auf dem Gewissen
- Insgesamt 4 Wochen Ferienstellvertretung für Lehrmeister
- 6 Mal die Schule zugunsten praktischer Arbeit geschwänzt
- Die erste „Schlägerei“ meines Lebens in der Schule mit versöhnlichem Ausgang (für beide)
- Erstmals Spargeln mit Freude gegessen
- Zu jeder Traktormarke mindestens einen dummen Spruch gelernt (ausser zu Fendt, die sind einfach wirklich super…)
- Die Prototypen Bergbauer, Kuhflüsterer, Maschinenfreak und Biolandwirt kennen und schätzen gelernt
- Einblick in zwei Bauernfamilien erhalten
- Einige weltfremde Ideale beerdigt und darauf neue Samen der Begeisterung gesät
- 2 Mal die ganze Nacht durchgearbeitet
- Einen neuen Dialekt gelernt (passiv)
- Das Strassenverkehrsgesetz einige Male just bis an die Grenze des Erlaubten ausgereizt
- Das Fluch-Vokabular Potzhimmuheilandplütter massiv erweitert
- Praktisch die Hälfte meines Lohnes in Naturalien bezogen (verfressen und verschlafen)
- Erfolgreicher Hornhaut-Aufbau
- Gewicht trotz enormem TS-Verzehr stabil gehalten
- Komfortzone beträchtlich ausgedehnt
Nebst der Tatsache, dass mir „s’Buure“ richtig gut gefällt, hatte diese Lehre natürlich eine grosse Lebensschule-Funktion. Ich konnte bei zwei Familien Eindrücke sammeln und habe vieles gesehen, was mir gefällt, und vom anderen weiss ich jetzt wenigstens, dass mir das nicht passt.
Ich habe dieser Zeit viel zu verdanken. Noch nie habe ich etwas gemacht, was mich derart beansprucht und gefordert hat. Die Vielseitigkeit dieses Berufes ist es, was mir am besten gefällt: Nie wurde es mir langweilig. Die Faszination ist praktisch täglich gewachsen, und ich wurde zwei Jahre lang nicht allzu sehr von lästigen Sinnfragen geplagt, sondern fand Freude im Handeln.
Ich bin gespannt, wohin es mich im Leben verschlagen wird. Die nächsten 3 Jahren scheinen mit dem Studium vorgespurt, und ich hoffe, dass ich mich gut in einen neuerlichen Schulalltag einleben kann. Für den Ausgleich wartet zu Hause ja glücklicherweise ein Betrieb mit genügend Beschäftigungsmöglichkeiten. Die erste Etappe der „Tour de Landwirtschaft“ ist abgeschlossen. Was folgt ist ungewiss, doch ich freue mich darauf. So, zum Schluss dieses Lebensabschnitts verspüre ich auch das Gefühl der Dankbarkeit:
- Danke an die Familie Hodel, die in in mir die Begeisterung für die Landwirtschaft weckte
- Danke an die Familie Abbt, wo ich Einblicke in den Bio-Landbau gewinnen durfte
- Danke an die Schulkollegen, die mich jung gehalten und herausgefordert haben
- Danke an die LehrerInnen, welchen mir mit grossem Engagement theoretische und doch oft praxisnahe Grundlagen vermittelten
- Danke an das Küchenteam der Liebegg, das Essen war schlicht sensationell
- Und zum Schluss gebührt ein Dank auch allen LeserInnen dieses Blog und sonstigen Menschen, die sich für meine Ausbildung ehrlich interessierten und mit denen ich viele anregende Diskussionen führen durfte.