Wissenschaftler fordern eine radikale Umstellung des Speiseplans. Kommende Woche präsentieren sie ihren Leitfaden der Schweizer Politik. Bis 2030 sollen Konsumenten nur noch halb so viel Fleisch, sowie deutlich weniger Milchprodukte, Eier und Zucker essen.
Wissenschaftler fordern eine rasche Umstellung des Ernährungssystem, damit die Ernährungssicherheit auch künftig gewährleistet werden kann. Den entwickelten Leitfaden dazu wollen sie nächste Woche am Schweizer Ernährungsgipfel in Bern der Politik präsentieren.
Die «SonntagsZeitung» hat vorab mit Lukas Fesenfeld, Leiter des wissenschaftlichen Gremiums «Ernährungszukunft Schweiz» vom Oeschger Zentrum für Klimaforschung von der Universität Bern und von der ETH Zürich gesprochen und einen Einblick erhalten.
Umstellung auf pflanzenbasierte Landwirtschaft
Um ein nachhaltiges Ernährungssystem zu erreichen rät Fesenfeld den Fleischkonsum bis 2030 zu halbieren. Auch der hohe Konsum von Milchprodukten und Eiern müsse drastisch sinken, so der Wissenschaftler. Dafür solle der Anteil an Pflanzen und pflanzlichen Proteinen an der Ernährung steigen.
Um diese Ziel zu erreichen, hätte der Staat Anreize statt Verbote zu schaffen. Aktuell würden viele Landwirte den Fokus auf die Produktion tierischer Lebensmittel setzen, weil es vom Markt so nachgefragt und vom Staat explizit unterstützt werde, so Fesenfeld. Künftig müssten deshalb neue Möglichkeiten geschaffen werden - etwa indem der Staat Prämien für die Umstellung auf eine pflanzenbasierte Landwirtschaft zahlt oder neue Wertschöpfung durch Agri-Fotovoltaik ermöglicht wird.
Last des Wandels liegt nicht nur bei Bauern
Fesenfeld fordert zudem, dass ein Transformationsfonds angelegt wird. Dieser solle helfen den Wandel anzustossen. Wichtig sei, dass nicht die ganze Last des Wandels allein der Landwirtschaft aufgebürdet werde. Die Produktion, der Vertrieb, die Verarbeitung und der Konsum müssten ebenfalls angeschaut werden. Es geht nicht nur um Agrarpolitik, sondern auch um Ernährungssystempolitik.
«Der Staat muss den Absatz pflanzenbasierter Produkte stärken», sagt Fesenfeld weiter. Dabei müsse nicht alles vegetarisch oder vegan sein. In der Bolognese könne auch einfach weniger Fleisch enthalten sein.
Letztlich biete der Wandel wirtschaftliche Chancen. Da die Schweiz international gut vernetzt sei, könne sie neue, nachhaltige Produkte, etwa mit alternativen Proteinquellen, gut international vertreiben.
zvg
Leitfaden beleuchtet tiefes Einkommen
Im Leitfaden wird unter anderem das tiefe Einkommen von Berufstätigen in der Landwirtschaft und im Ernährungssektor beleuchtet. Gerade bei Frauen würden die Löhne deutlich tiefer liegen als die Löhne in anderen Sektoren in der Schweiz, so Fesenfeld.
Es mangle teils an Wertschätzung gegenüber der Tätigkeit von Beschäftigten in Landwirtschaft und Verarbeitung, so der Wissenschaftler. Bauern und Bäuerinnen hätten auch ein erhöhtes Risiko für Burn-out und Suizid.
DAS SOLLTEN NUN AUCH DIE LETZTEN BAUERN VERSTEHEN
Der Widerspruch, mit der Forderung Pflanzen anzubauen, welche dann nicht ernährt und geschützt werden sollen, bleibt ungelöst.