Die Schweizer Wasserversorger wollen weniger Nitrat im Trinkwasser. Die Düngebilanz sei nicht ausgeglichen.
Die Schweizer Wasserversorger hegen Sympathien für die Ziele der Trinkwasserinitiative. Das Grundwasser, aus dem die Schweizer Versorger ihr Trinkwasser gewinnen, müsse besser vor Nitrat und Pflanzenschutzmitteln (PSM) geschützt werden, forderte der Schweizerische Verein des Gas- und Wasserfachs an seiner Tagung «Trinkwasserschutz und Agrarpolitik 2022» in Solothurn.
Mit der Forderung nach geringeren Stickstoffeinträgen bringen die Wasserversorger laut Samuel Vogel vom BLW berechtigte Anliegen vor. An der Tagung präsentierte der Leiter des Fachbereichs Agrarumweltsysteme und Nährstoffe die Ideen des BLW zu einer «standortangepassten Landwirtschaft».
«Zu hohe Emissionen»
Das BLW wolle die ÖLN-Bestimmungen so weiterentwickeln, dass die Tragfähigkeit der Ökosysteme berücksichtigt, die Nährstoffüberschüsse begrenzt und der PSM-Einsatz reduziert würden. Dabei müsse es auch möglich werden, bei regionalen Problemen die Voraussetzungen des ÖLN vor Ort zu verschärfen. Für Vogel sind die Stickstoffeinträge in der Schweiz eindeutig zu hoch. Die Tierdichte in der Schweiz sei im europäischen Vergleich hoch, die Futtermittelimporte hätten sich seit 1990 knapp vervierfacht. Das Resultat seien zu hohe Ammoniakemissionen und Stickstoffeinträge.
«Die Düngebilanz ist heute nicht so ausgeglichen wie es scheint», so Vogel. In Regionen mit einer hohen Dichte an Geflügel- oder Schweinemastbetrieben könne sich das BLW vorstellen, die ÖLN-Bestimmungen in Zukunft strikter zu formulieren, damit die Tragfähigkeit der Ökosysteme vor Ort gewährleistet ist. Zur Reduktion von Nährstoffeinträgen in sensible Ökosysteme könne man anstatt der Futtermittel auch gleich die gemästeten Schweine und Güggeli importieren.
Probleme sieht Vogel auch in Regionen mit vielen Spezialkulturen wie Obst und Gemüse. Hier häuften sich Probleme mit PSM-Rückständen in Oberflächengewässern. In diesen Fällen hält es das BLW für sinnvoll, die ÖLN-Regeln zum PSM-Einsatz regional zu verschärfen.
Standortangepasste Landwirtschaft
Was standortangepasste Landwirtschaft konkret bedeuten kann, machten die Referate kantonaler Gewässerschützer deutlich. Rainer Hug, Präsident der Nitratkommission Gäu-Olten, berichtete über das grösste Nitratprojekt der Schweiz. Weil der Nitratgehalt zu hoch war, musste im benachbarten Niederbipp eine Trinkwasserfassung stillgelegt werden.
Das Solothurner Amt für Umwelt gleiste vor 20 Jahren zwischen Olten und Oensingen ein Projekt zur Reduktion des Stickstoffeintrags auf. Messungen hatten gezeigt, dass der Nitratgehalt im Sickerwasser mit 170 Milligramm pro Liter am höchsten war, wo Gemüse angebaut wurde. Unterhalb von Ackerbauflächen betrug der Nitratgehalt immer noch 30 bis 50 mg pro Liter, unter extensiven Wiesen lediglich 5 bis 10 Milligramm.
Umnutzung von 160 ha
Die wichtigste Massnahme bestand konsequenterweise in der Umwandlung von Ackerland in Naturwiesen, die weder gedüngt noch umgebrochen werden. Diese Massnahme wurde auf 160 Hektaren umgesetzt. Um die Bauern für die entgangenen Einkünfte zu entschädigen, erhalten sie pro Hektar Land und Jahr 2500 Franken Kompensationszahlungen.
Bauern, die auf eine angepasste Bodenbewirtschaftung umstellten, (Winterbegrünung, Saatzeitpunkt, Fruchtfolge ohne Problemkulturen, reduzierte Bodenbearbeitung) erhalten eine Entschädigung von 300 bis 500 Franken pro Hektar.
Problem nicht erledigt
Für eine Rückverwandlung der ertragreichen Gemüseflächen in Wiesen müssten Wasserversorger und Kanton dem Betreiber pro Jahr und Hektar 28'000 Franken Entschädigung bezahlen, was als zu hoch erachtet wird. Insgesamt kosten die Entschädigungszahlungen an die Landwirte den Kanton und die Wasserversorger rund 1 Million Franken im Jahr. Die Nitratbelastung in den sechs Trinkwasserfassungen des Gebiets hält sich dank der angepassten Landwirtschaft zwischen 25 und 40 Milligramm pro Liter.
Für Projektpräsident Hug ist das Problem jedoch nicht erledigt. Die Kontrolle des Stickstoffeintrags sei eine Daueraufgabe mit einem hohen Verwaltungs- und Koordinationsaufwand. Als Nächstes wollen die Gewässerschützer besser verstehen, woher das Wasser im Untergrund zuströmt. Ab 2021 sollen in das Nitratprojekt Gäu-Olten 29 Betriebe mit 250 Hektar Landwirtschaftsland im Gebiet Bern-Niederbipp integriert werden.