«Die Hygiene beim Herstellungsprozess muss so sein, dass das Geflügelfleisch ohne Chlorbad bedenkenlos verzehrt werden kann», betont Konsumentenschützerin Nadine Masshardt.
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Kaum ein Nahrungsmittel hat in Europa einen so schlechten Ruf wie das Chlorhuhn. Nun droht es, über den Umweg der Zollverhandlungen doch noch seinen Weg in die Schweiz zu finden, berichtet die «NZZ am Sonntag».
Chlorbäder
Der Bundesrat habe den USA signalisiert, das bisherige Importverbot für chemisch behandeltes Geflügel zu überdenken. In einem Vertragsentwurf steht laut «NZZ am Sonntag» schwarz auf weiss: «Die Schweiz beabsichtigt, mit den Vereinigten Staaten zusammenzuarbeiten, um Massnahmen anzugehen, die den Marktzugang für US-Geflügelfleisch und -produkte einschränken.»
Damit rührt die Landesregierung an ein jahrzehntelanges Tabu. In den USA werden Poulets nach der Schlachtung in Chlorbädern desinfiziert, um Keime wie Salmonellen oder Campylobacter abzutöten. In Europa und der Schweiz gilt diese Praxis als unzulässig. Hier soll die Hygiene entlang der gesamten Produktionskette garantiert sein – nicht erst am Schluss durch Chemie.
Heftige Reaktionen
Die Reaktionen sind heftig. «Ich finde es absolut inakzeptabel, dass der Bundesrat die Grenzen für Chlorhühner öffnen will. Das war bisher tabu», sagt Adrian Waldvogel, Präsident der Schweizer Geflügelproduzenten, gegenüber der «NZZ am Sonntag». Auch Konsumentenschützerin Nadine Masshardt lehnt ab: «Die Hygiene beim Herstellungsprozess muss so sein, dass das Geflügelfleisch ohne Chlorbad bedenkenlos verzehrt werden kann.»
Politisch verlaufe die Debatte entlang bekannter Linien. Links-Grün stellt sich quer: Grünen-Fraktionschefin Aline Trede warnt, «mit umweltschädlichen und ungesunden Billigimporten untergraben wir diese Strategie». SVP-Nationalrat Mike Egger hingegen zeigt Verständnis für das Vorgehen des Bundesrats: Beim Poulet decke die Schweiz nur rund 60 Prozent des Bedarfs. «Da mag es einige Importe leiden», meint er. Entscheidend sei, dass Importkontingente eingehalten würden.
«Ein symbolischer Triumph»
Für die USA geht es weniger um Mengen, sondern um Symbolik. Während die EU in ihren Verhandlungen hart bleibt und Chlorhühner strikt ausschliesst, könnte Washington mit der Schweiz einen Durchbruch erzielen. Für Donald Trump wäre das ein «symbolischer Triumph» – mitten in Europa, ordnet die «NZZ am Sonntag» ein.
Das Chlorhuhn wird damit erneut zum Prüfstein: für die Glaubwürdigkeit der Schweizer Landwirtschaftspolitik, für den Konsumentenschutz und für die Frage, wie weit die Schweiz im globalen Handel bereit ist zu gehen.